Wien - Ein echtes Vetorecht bei Gesetzen - wie in Deutschland - sollte der Bundesrat bekommen, geht es nach den Vorstellungen von Vizekanzlerin Susanne Riess- Passer (FP). Quer durch alle Parteien erschallt seit Jahren ein - allerdings dissonanter - Ruf nach Reform der zweiten Kammer des Parlaments, die ein politisches Mauerblümchendasein fristet. Manche denken sogar über Abschaffung nach. der Standard befragte Politiker und Experten."B-Liga der Politik" Bernhard Raschauer, Jurist und Verwaltungsexperte, meint, dass man statt des Bundesrates die Landeshauptleutekonferenz als echtes Gegengewicht zur Bundesregierung positionieren könnte. Schließlich sitze in der Länderkammer derzeit ohnehin nur die "B-Liga der Politik". Sein Vorschlag Nummer zwei deckt sich mit jenem der Vizekanzlerin: den Bundesrat ernst nehmen und ihm die Möglichkeit geben, Gesetze zu blockieren und nicht nur einige Wochen zu verzögern. Riess-Passer geht noch weiter und meint, der Landtag sollte Landtagsabgeordnete in den Bundesrat entsenden, die sich im Heimatland für Entscheidungen rechtfertigen müssten. Doch eine Reform des Bundesrates scheitere an der für die Zweidrittelmehrheit nötigen Zustimmung der SPÖ. Schließlich habe diese kein Interesse, die seit jeher schwarz dominierte Kammer aufzuwerten. SPÖ-Fraktionsführer Albrecht Konecny bestätigt, dass er darauf wenig Lust verspürt. Aber auch er hat - unerfüllbare - Reformwünsche. Erstens sollte sich der Bundesrat mit dem Finanzausgleich beschäftigen dürfen. Zweitens müsste die Länderkammer schon bei der Gesetzwerdung beigezogen werden. Letzteres hat der Bundesrat - sogar einstimmig - vor eineinhalb Jahren beschlossen. Leider hat es der Nationalrat bisher noch nicht für wert befunden, dieses Thema auf seine Tagesordnung zu setzen. Im Bundesrat wird nach Fraktionsgrenzen und nicht nach Länderinteressen abgestimmt. "Das zu durchbrechen wäre wichtig", sagt der steirische Bundesrat Herwig Hösele (VP). "Sympathischer" fände er, wenn der Landtag seinen Bundesräten bindende Aufträge erteilen würde. Der Mandatsstand teilt sich derzeit so auf: 28 ÖVP, 23 SPÖ, zwölf FPÖ und - seit der Wiener Wahl - ein Grüner. Der wird vom Ex-Öffentlichkeitschef Stefan Schennach gestellt. Die Grünen lästerten einst gern über den Bundesrat. "Durch meinen Einzug hat sich einiges verändert", meint Schennach. Nun würden Themen ernsthaft diskutiert, die im Nationalrat "nicht ordentlich behandelt wurden", etwa die Kulturberichte. Gut wäre aus seiner Sicht, wenn die Landeshauptleutekonferenz ein Bundesratsausschuss wäre. Denn diese spiele jetzt "Nebenregierung". Jede zweite Ratssitzung könnte in den Bundesländern stattfinden. Ein Vorschlag, den auch Hösele goutiert. Dass - ähnlich wie zwischen Brüssel und Straßburg - Beamte und Akten hin- und herkutschiert werden müssten, missfällt jedoch der amtierenden Bundesratspräsidentin Uta Barbara Pühringer (VP OÖ). "Gegen den Strich" geht ihr wiederum, dass der Bundesrat nicht einzelne Gesetzespassagen beeinspruchen kann, sondern nur ein Konvolut, in dem sich bis zu 100 Reformen befinden können. "Da stockt dann alles andere auch." Dennoch sei der Bundesrat wichtig und eine Hürde für den Nationalrat. Dieser nehme daher darauf Bedacht, Gesetze so zu formulieren, dass sie nicht den Länderinteressen widersprächen. Am lautesten hat die Liberale (und Ex-FP-Bundesrätin) Heide Schmidt die Abschaffung des Bundesrates verlangt. Pühringer: "Sie irrte."(Der STANDARD, Print-Ausgabe 3.5.2002)