Vilnius/Genf/Ramallah - Die Menschenrechts-Hochkommissarin der Vereinten Nationen, Mary Robinson, hat zu einer Untersuchung der Ereignisse im palästinensischen Flüchtlingslager von Jenin aufgerufen. "Eine unabhängige Kommission sollte die Fakten dort klären", sagte die ehemalige irische Staatspräsidentin am Freitag in der litauischen Hauptstadt Vilnius, wo sie als Gast am Außenministertreffen des Europarats teilnahm. Robinson betonte, sie sei "besorgt" über das Verhalten Israels. Der Bericht der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch erscheine ihr "glaubwürdig". Dort ist von schweren Verstößen gegen die Menschenrechte in Jenin, nicht aber von einem Massaker die Rede. Israel hat eine Jenin-Untersuchung durch die von der UNO eingesetzte Kommission unter Leitung des finnischen Ex-Präsidenten Martti Ahtisaari vereitelt. Der ehemalige Schweizer Präsident des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK), Cornelio Sommaruga, Mitglied der Jenin-Kommission der UNO, hat am Freitag bedauert, sein Mandat nicht erfüllen zu können. Es habe eine große Erwartung in der internationalen Öffentlichkeit und bei der palästinensischen Bevölkerung gegeben, sagte Sommaruga am Freitag in Genf. "Unsere Vorgehensweise war unabhängig, neutral und unparteilich. In unserem Bericht an Generalsekretär Kofi Annan hätte es negative und positive Punkte für alle Parteien gegeben, einschließlich der internationalen Gemeinschaft", betonte Sommaruga. Die Auflösung der UNO-Kommission erklärte Sommaruga mit einer sinkenden Unterstützung für die Resolution 1405, mit der der UNO-Sicherhetsrat am 19. April die Kommission einstimmig guthieß. Sommaruga schloss in diesem Zusammenhang auch einen "Handel" zwischen den USA und Israel über die Freilassung des palästinensischen Präsidenten Yasser Arafat und einer internationalen Friedenskonferenz nicht aus. Die Palästinenser fordern ungeachtet der offiziellen Auflösung der UNO-Kommission weiter eine internationale Untersuchung der Vorgänge im Flüchtlingslager von Jenin. Dies sagte am Freitag Arafats Sonderberater Nabil Abu Rudeina in Ramallah. Bulldozer der Stadtverwaltung von Jenin arbeiteten am Freitag weiter in der Stadt, um Trümmer abzuräumen. Große Teile des Flüchtlingslagers sind komplett zerstört. Nach palästinensischen Angaben wurden 600 Wohneinheiten vollständig zerstört und 200 weitere teilweise beschädigt. Etwa 3000 Menschen seien dadurch obdachlos geworden. Vier palästinensische Polizisten haben am Freitag die seit mehr als einem Monat belagerte Geburtskirche in Bethlehem verlassen. Nach palästinensischen Angaben waren die Männer krank und zu schwach, um weiter in dem Gebäude auszuharren. Einer von ihnen sei auf einer Bahre herausgetragen worden. Sie seien jedoch keine von Israel gesuchten Männer, hieß es. Die Armee wolle sie befragen und dann freilassen. (APA/dpa/Reuters/sda)