Frankfurt/Main - Jeder Mensch hat nach Darstellung des Bielefelder Psychologen Hans J. Markowitsch beim 2. Neuro-Forum der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung am Freitagabend in Frankfurt vier weitgehend voneinander unabhängige Gedächtnisse. Das so genannte episodisch-autobiografische Gedächtnis sei für persönliche, einzigartige und meist emotional gefärbte Ereignisse zuständig, sagte der Gedächtnisforscher. Daneben gebe es eine Art Wissens-Gedächtnis, in dem beispielsweise das Schulwissen und das Wissen um allgemeine Zusammenhänge enthalten seien. Meistens wisse man gar nicht mehr, wo man das gelernt habe, was in diesem Gedächtnis gespeichert werde, halte die Information aber für richtig. Die dritte und vierte Art von Gedächtnis arbeiten laut Markowitsch im Gegensatz zu den beiden anderen weitgehend ohne bewusstes Einwirken. So etwa das "prozedurale Gedächtnis" für mechanische und motorische Fertigkeiten wie Auto fahren, Schwimmen oder Skat spielen. Das vierte System sei dafür zuständig, das Erinnern an ähnlich erlebte Situationen zu erleichtern, so der Experte. Sinnvolle Unterscheidung Die Unterscheidung von vier Gedächtnissen ist nach Markowitschs Darstellung vor allem für die Erklärung von Krankheitsfolgen wie beispielsweise Alzheimer sinnvoll. Auch nach Unfällen gebe es immer wieder Patienten, die zwar noch wüssten, wer welcher Filmschauspieler oder Sportler war und weiterhin schreiben, lesen und rechnen könnten, aber sich nicht mehr an ihren Lebenslauf erinnern. Die moderne Hirnforschung gehe zwar nach wie vor davon aus, dass bestimmte Hirnregionen bestimmte Funktionen hätten, sagte Markowitsch. Allerdings nähmen die Forscher auch an, dass das gesunde Gehirn netzwerkartig arbeite und die verschiedenen Gehirnteile konzertiert zusammenwirkten. Es habe daher keinen Sinn - wie früher üblich - auf einer Kopfbüste verschiedene Schädelabschnitte aufzumalen und mit bestimmten Aufgaben oder Gedächtnissystemen zu bezeichnen. (APA/dpa)