Österreich
Trendwende im Rotlichtmilieu
Massagesalons lösen allmählich Bordelle ab
Wien - Die Zeit der klassischen Bordelle scheint langsam zu Ende zu gehen. "Wir beobachten eine Trendwende im Rotlichtmilieu", erklärte Freitag der Wiener Sicherheitsbürochef Maximilian Edelbacher, "Richtung Massagesalons." Das Problem für die Polizei: In solchen Etablissements sei die Geheimprostitution noch schwerer nachzuweisen als in Bordellen. "Da müssen wir sie schon direkt bei der Tat erwischen, sonst haben wir kaum etwas in der Hand." Außer dem Fremdengesetz, falls sich die Frauen illegal im Land aufhielten. Die Zahl einschlägiger Massagesalons in Wien sei im vergangenen Jahr von einem guten Dutzend auf "fast 60 gestiegen". Im Vergleich zu anderen EU-Hauptstädten liege Wien damit an der Spitze, sagte Edelbacher zum Standard. Und noch eine Trendwende zeichne sich ab: Nach Osteuropa und Lateinamerika würden immer mehr Frauen aus Asien nach Österreich geschmuggelt und hier zur Prostitution gezwungen.
Menschenhandel wird auch dem 54-jährigen ehemaligen Eiskunstläufer und Olympiasieger Wolfgang Schwarz vorgeworfen. Wie berichtet, soll er zumindest sechs junge Frauen aus Osteuropa an Bordelle in Wien, Salzburg und Graz vermittelt haben. In der prominenten Affäre sind insgesamt 16 Personen verdächtig. Am 13. März waren Schwarz und zwei weitere Verdächtige verhaftet worden. Er gab vor der U-Richterin zu, Frauen auf deren ausdrücklichen Wunsch nach Österreich gebracht zu haben, ohne Druck und ohne dabei etwas zu verdienen. Ende der Vorwoche wurde der Exsportler aus der U-Haft entlassen. Sein Anwalt Herbert Eichenseder erklärte am Freitag dem Standard: "Er ist unschuldig."
Schwarz, Betreiber einer Werbeagentur in Wien, habe geschäftlich seine Kontakte in Russland intensiviert und dabei schnell erkannt, dass man in Moskau viel leichter zu Terminen bei Ministern oder Geschäftsleuten komme, wenn man ein geeignetes Callgirl kenne, als durch den österreichischen Handelsdelegierten. Schwarz selbst behauptet von sich, "nichts Böses getan" zu haben, der Informant der Polizei sage die "Unwahrheit". Er selbst werde mit den Vorwürfen leben können, aber für seine Frau und Tochter sei es schwer.
Bis zu zehn Jahren Haft
Ob und wann Anklage gegen Schwarz erhoben wird, konnte auch Eichenseder nicht abschätzen: "Die Voruntersuchungen sind beendet, noch liegt der Akt aber beim Oberlandesgericht. Und da niemand mehr in U-Haft sitzt, hat auch die Staatsanwältin keine Eile. Das wird noch dauern." Der Strafrahmen bei Menschenhandel beträgt bis zu fünf, bei Gewerbsmäßigkeit bis zu zehn Jahren Haft.
"Wir verdächtigen ihn auch des Versicherungsbetrugs", ergänzte Edelbacher, dessen Kriminalisten gegen Schwarz ermittelt hatten. "Aber hier haben wir nur Indizien, keine Beweise, außerdem gilt die Unschuldsvermutung." Auch in Bezug auf seine möglichen Verstrickungen ins Rotlichtmilieu, das in Wien wächst.
Etwa 560 Prostituierte sind in Wien offiziell gemeldet, müssen sich regelmäßigen Untersuchungen unterziehen. Die Zahl der Geheimprostituierten schätzt Edelbacher inzwischen auf "6000 bis 7000, was auch ein enormes Gesundheitsrisiko darstellt": Geschlechtskrankheiten seien wieder im Vormarsch. (DER STANDARD, Print-Ausgabe. 4./5. 5. 2002)