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Joost Zwagerman
Kunstlicht
Picus,
Wien, 2002

Foto: Archiv
Nachdem Otto Vallei sich sechs Monate lang in seinem Arbeitszimmer eingeschlossen hatte, um an einem Roman zu arbeiten, beichtete er seiner Frau Karin, dass er kaum Fortschritte gemacht hatte. Und selbst das war eine eher harmlose Darstellung des Sachverhaltes. In gewisser Weise hatte er noch nicht einmal angefangen." So, so, fühlt man hier bemüßigt zu sagen: Rezensenten lieben im Allgemeinen nicht die theatralischen Qualen von Autoren, die beredt von ihrem "writer's block" erzählen. Die schreiben, worüber sie nicht schreiben sollen: warum sich der literarische "Muttermund (!) nicht öffnet" (R. Menasse). Allzu leicht gleitet eine solche Erzählung ins regressiv Handkesche ab, in all das, was LeserIn erst gar nicht wissen will. Dies ist nun aber nichts, was man dem vorliegenden Roman wirklich vorwerfen könnte (aber dennoch). Kunstlicht, schildert die witzige Odyssee des Protagonisten durch das Amsterdam der enttäuschten Ehefrauen, der verschlagenen Verleger, der Ersatzkarrieren in Radiotalkshows und Autorenkollegen, in deren Schlüsselromanen man unversehens als Figur landet (ein ziemlich europäisches Schicksal: der SzyszkoWitz sei mein Zeuge). Der deutsche Titel ist wie der ganze Text versiert, ohne wirklich zu überzeugen; das niederländische Original hieß noch viel programmatischer Chaos und Tumult. Joost Zwagerman indes, der oberste Maschinist dieses Tohuwabohus, wurde von einer Amsterdamer Kulturzeitschrift nicht von ungefähr zum "Kronprinzen der niederländischen Literatur" ausgerufen, auch wenn er (Jahrgang 1963) bedeutend knuspriger ist als sein Kollege aus dem niederländischen Königshaus. Ein großes Verdienst des schönen Wiener Picus-Verlags, sich mit Verve auf die deutsche Übersetzung dieses rapide anwachsenden Kulturheros geworfen zu haben (der mit der Herausgabe einer Literaturzeitschrift namens De Held debütierte). Warum aber nach dem fulminanten Roman Die Nebenfrau (2000) jetzt verlagstechnisch ein eher sekundäres Oeuvre kommt, weiß niemand so recht: Amsterdamer Szenekolorit? Auch dafür gibt's bessere Texte bei Zwagerman. Man darf gespannt sein, wie's weitergeht. Der niederländische Autor hat immerhin auch einen der klügsten europäischen Essays zum Geschäft mit den feuchten Träumen des Geschlechts geschrieben (Pornotopia, 1998). Unter anderem. Und auch sein neuester Roman Zes sterren ("Sechs Sterne", 2002) über die suizidalen Mühen eines Hotelrezensenten (!) stürmte nicht grundlos die Kulturseiten in den Niederlanden und Belgien. LeserIn möge sich also in Geduld üben, der Verlag in weiterem Mut. (ALBUM, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 04./05.05. 2002)