Die Litauer hatten schon 1236 den livländischen Schwertbrüdern eine so vernichtende Niederlage zugefügt, dass dessen Reste dem Deutschen Ritterorden eingegliedert werden mussten. Angesichts der von diesem drohenden Gefahr gelang es dem Großfürsten Mindaugas (Mindowe), die litauischen Stämme zu einen und den Orden bei Siauliai/ Schaulen zurückzuschlagen. Um den Deutschen den Vorwand für Angriffe zu nehmen, ließ sich Mindaugas taufen, bekam vom Papst 1251 den Königstitel zugestanden und wurde vom deutschen Bischof von Riga gekrönt.Die Ermordung des Königs und innere Zerwürfnisse gaben dem Orden die Chance, seinen Eroberungskrieg wieder aufzunehmen. Die Ritter stießen über die Memel/Nemunas vor, schon mussten die Litauer in wechselvollen Kämpfen mit dem Orden um die westlitauische Region Schemaiten (Samogitien) ringen. Dank der energischen Führung durch die Großfürsten des 14. Jahrhunderts konnte Litauen sich nicht nur behaupten, sondern weit in den Osten und Südosten ausdehnen. Dort waren die altrussischen Fürstentümer infolge des Tatareneinfalls zerfallen. Gediminas eroberte Weißrussland, Wolhynien und die nordwestliche Ukraine, sein Sohn Algirdas (Olgierd) schlug die Tataren, brachte Podolien und Kiew unter seine Herrschaft und stellte Nowgorod und Pskow/Pleskau unter seinen Schutz. Sein Bruder Kejstutis, mit dem er die Herrschaft teilte, kämpfte heldenhaft gegen die Deutschritter; obwohl geschlagen, wehrte er deren Versuch, Vilnius/Wilna zu erobern, ab. Erst nach seinem Tod, 1398, fiel Schemaiten für knappe zwei Jahrzehnte an den Orden. Kejstutis war nicht an Altersschwäche gestorben; da er Ansprüche auf den Thron stellte, ließ ihn Algirdas' Sohn Jagiello (Jogaila) beseitigen. Das hatte später einen Konflikt mit Kejstuts Sohn Wytautas (Witold) zur Folge, der aber schließlich in Eintracht gelöst wurde. Jagiello hatte nämlich um die Hand der Tochter Jadwiga (Hedwig) des ohne männlichen Erben verstorbenen Polenkönigs Ludwig des Großen gefreit und sich, um den Erfolg dieser Bewerbung zu sichern, taufen lassen. Durch den Vertrag von Krewo wurde die Personalunion begründet, Jagiello bestieg als Wladyslaw II. zusammen mit seiner Gemahlin den polnischen Thron. Seinen Cousin Wytautas anerkannte er als Großfürsten in Litauen. Gemeinsam schlugen sie 1410 bei Tannenberg-Grunwald das Heer der Ordensritter vernichtend. Schemaiten musste an Litauen zurückgegeben werden. Die damals festgelegte Grenze, die die Stadt Memel/Klaipeda dem Orden beließ, hielt bis 1918. Unter Wytautas dem Großen (1392-1430), der das Fürstentum Smolensk eroberte und das Reich bis an den Donez und vor die Tore Moskaus ausdehnte, wurde der litauische Staat die bedeutendste Macht in Osteuropa. Zwar waren die Kerntruppen der Großfürsten die litauischen Reiterscharen, aber es war keine nationale Vorherrschaft, die sie ausübten. Der Schwerpunkt des Reichs verschob sich nach Osten, die Russen, schon seit 998 orthodoxe Christen, brachten höhere Kultur und Verwaltungspraxis an den Fürstenhof, und eine frühe Form des Weißrussischen wurde die Kanzleisprache des Litauerreiches. Litauen bewahrte trotz der Herrschaft der Jagiellonen in Polen noch bis 1569 seine Selbständigkeit unter eigenen Großfürsten. Wytautas bemühte sich um eine Trennung von Polen, doch der römisch-deutsche Kaiser Sigismund verweigerte ihm den angestrebten Königstitel. Nach Wytautas' Tod erhob Wladyslaw Jagiello seinen Bruder Swidrigiello zum Großfürsten, um Litauen fest an Polen zu binden. Ein Teil des litauischen Adels verdrängte ihn und setzte Wytautas' Bruder auf den Thron; er wurde von einem Fürsten Czartoryski ermordet. Der litauische Hochadel - so die Radziwill, Czartoryski, Sapieha, Pac - begann sich zu polonisieren. Das litauische Volk war bereits beim Übertritt Jagiellos zum Christentum in Massentaufen römisch-katholisch geworden. Das war auch politisch ein Schlag gegen den Deutschen Ritterorden, der seinen Missionsauftrag verlor und nach Tannenberg nie mehr die alte Macht wiedergewinnen konnte. Doch die außenpolitische Lage, das Erstarken des Großfürstentums Moskau, durch das die litauische Ostgrenze Stück um Stück zurückgenommen werden musste, erforderte eine festere Bindung an Polen. Die Union von Lublin (1569) beendete die Gleichstellung der zwei Landesteile, Ostgalizien wurde Polen angeschlossen, in dem nun unter einem König vereinten Doppelreich wurde Litauen auf einen eigenen Landtag beschränkt - der Kampf um die Ostgrenze war von einer Sache der Litauer zu einer zwischen Polen und Russland geworden. Der Adel sprach, fühlte und dachte Polnisch, Litauen war für ihn eher nur noch ein regionaler Heimatbegriff von einem polnischen Land mit Litauisch oder Weißrussisch sprechenden Bauern, wie dies schon im polnischen Nationalepos zum Ausdruck kommt, das der Dichter Adam Mickiewicz mit der Anrufung seiner "Heimat Litauen" beginnt.(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 4. /5. 5. 2002)