Wien - Zimmer 308 im Wiener Polizeianhaltezentrum (PAZ) ist nur für Frauen reserviert. Für Geheimprostituierte. Dort werden sie nicht eingesperrt, dort werden sie auf ihre Gesundheit untersucht. Und vor allem gibt es Hilfe bei Drogensucht. Seit drei Jahren kümmern sich im PAZ die Drogenberatungsstelle "Dialog" und die Gesundheitsambulanz des Magistrats um jene Frauen, die nur nachts im Straßenbild präsent sind - stillschweigend toleriert, mehr aber nicht.

Mit der Affäre um den Ex-eiskunstläufer Wolfgang Schwarz rückten sie in den Blickpunkt der Öffentlichkeit. Schwarz soll, wie berichtet, zumindest sechs junge Frauen aus Osteuropa an Bordelle in Wien, Salzburg und Graz vermittelt haben - er beteuert seine Unschuld. Nach Schätzung von Max Edelbacher, Chef des Wiener Sicherheitsbüros, gehen zwischen sechs-und siebentausend Sexarbeiterinnen in Massagesalons, Bordellen und auf der Straße illegal ihrer Arbeit nach.

Teufelskreis Sucht

Einer der Hauptgründe für Frauen, im Stuwerviertel (beim Prater) oder auf der Felberstraße hinter dem Westbahnhof der Geheimprostitution nachzugehen, ist ihre Drogensucht. Mit dem Verkauf ihres Körpers finanzieren sie Kokain oder Heroin. Weitere Gründe: Sie sind als "Illegale" in Österreich. "Oder sie kommen aus derart schwachen sozialen Verhältnissen, dass ihnen ein ausgewogener Lebenslauf erschwert wird", schildert Wiens Drogenbeauftragter Alexander David den Teufelskreis.

PAZ-Chef Josef Zinsberger ist froh über die Projekthelfer, "weil sie die Arbeit der Polizisten erleichtern". Die Hälfte der Projektkosten von 40.000 Euro bestreitet er deshalb auch aus dem Haftanstaltsbudget. Den Rest finanziert der Fonds Soziales Wien.

Seit drei Jahren geht Gerhard Rechberger, Arzt beim "Dialog", dreimal die Woche für mehrere Stunden ins PAZ. Gemeinsam mit zwei Kollegen untersucht er Geheimprostituierte, stellt für sie kostenlos Rezepte aus. "Verwaltungsstrafbüßer" - Frauen, die die Strafe von bis zu 10.000 Euro wegen illegaler Prostitution nicht zahlen können und deshalb in Haft sind - können unter Aufsicht der Ärzte einen Drogenentzug mit Methadon beginnen. Gleichzeitig versucht Rechberger zu den Frauen Kontakt zu knüpfen, damit sie auch nach ihrer Haftentlassung zur Therapie und Betreuung kommen.

Neues Leben mit Job

Um dies zu gewährleisten, wird das Dialog-Projekt nun erweitert: Künftig wird sich eine Sozialarbeiterin weiter um die Frauen kümmern. "Ziel ist es", beschreibt Drogenexperte David, "sie sozial zu stabilisieren, ihnen bei der Wohnungs- und Arbeitssuche behilflich zu sein." Auch finanzielle Probleme sollen angegangen und die Frauen zu einer Ausbildung bewegt werden.

Gelingt dies in dem einen oder anderen Fall, dann fühlt sich Elisabeth Mayer, Sozialarbeiterin der MA15, in ihrer Arbeit bestätigt. Sie ist mit ihren Kolleginnen im PAZ regelmäßig Ansprechperson für Geheimprostituierte in Sachen Gesundheitsvorsorge. Viele der Frauen, "die bis zu dreimal pro Tag oder Abend Kundenkontakt haben", haben auch übertragbare Krankheiten: Syphilis, Tripper, Aids, Pilzinfektionen. Für Mayer unfassbar, "aber leider wahr": dass viele Männer auf Sex ohne Kondom bestehen.(Der STANDARD, Print-Ausgabe 6.5.2002)