Padua/Wien - Das hätte sich Ellen Müller-Preis nicht gedacht, das noch erleben zu müssen. Erlebt hat sie ja einiges, die vergangenen 90 Jahre, die sie heute vollendet, waren ja, um es so zu sagen: ein bisserl turbulent. Für sie noch ein bisserl mehr, immerhin war sie bei fünf Olympischen Spielen mit dabei. Und weil der deutsche Fechtverband die doppelverstaatsbürgerte Tochter eines Steirers und einer Rheinländerin nicht wollte, tat sie dies für Österreich. 1932 in Los Angeles holte die damals 20-Jährige Gold.

Und jetzt, so muss sie hören, streiken ihre jungen Kollegen, strecken einfach die Waffen. Nachdem der am Wochenende in Paris geplante Florett-Weltcup der Männer und Frauen bereits am Samstag einem Streik der Aktiven zum Opfer gefallen war, haben nun auch die Säbelfechter beim Weltcup in Padua ihre Hieb-und Stichwaffen niedergelegt.

Der Boykottgrund: Der Weltverband hatte bei seinem Kongress im türkischen Antalya beschlossen, den Mannschaftsbewerb im Damen-Florett und Herren-Säbel bei den Spielen 2004 in Athen nicht auszutragen. Der russische Verband verlangt nun vom IOC zu prüfen, ob die kurzfristige Änderung mit der Olympischen Charta im Einklang steht. Die deutschen Funktionäre unterstützen die Russen. Präsident Gordon Rapp: "Wir wollen Damen-Säbel im olympischen Programm haben, dafür aber keine bestehenden Wettbewerbe opfern."

Vielleicht wendet sich einer der Streiter auch an die Grande Dame in Wien. In den Annalen des internationalen Verbandes scheint sie jedenfalls häufig genug auf: neben Gold 1932 mit zwei Bronzenen (38, 48), drei WM-Titeln (47, 49, 59), weiteren acht WM-Medaillen und 21 österreichischen Meistertiteln. (ag, red)

(DER STANDARD, PRINTAUSGABE 6.5. 2002)