Frankreich
Französische Zeitungen zur Wiederwahl Chiracs
Le Figaro: "Selten erschien Frankreichs Zukunft so unsicher" - "Liberation": Chirac ist wiedergewählt worden, aber da hört sein Talent auch schon auf
Paris - Mit den Konsequenzen der Präsidentenwahl und
der Zukunft der Institutionen der Fünften Republik beschäftigen sich
am Montag die führenden französischen Zeitungen.Die konservative Pariser Tageszeitung "Le Figaro":
"Auch wenn Jacques Chirac die Stimmen der meisten Wähler bekommen
hat, so erschien der nationale Zusammenhalt noch nie so schwach, und
selten erschien die Zukunft des Landes so unsicher. Gewiss bleibt
Chirac Präsident aller Franzosen, doch werden seine Gegner betonen,
dass das Wahlergebnis in erster Linie ein Plebiszit für die Republik
ist. Chirac ist als Präsident mit der größten Mehrheit in der
Geschichte aller (französischen) Republiken gewählt worden, doch er
darf die Gründe dieser Lawine nicht ignorieren. Dieses Ergebnis
könnte klare politische Entscheidungen verhindern - die Berufung
neuer, mutiger Männer, um dem Land eine regierungsfähige Mehrheit zu
geben, die in der Lage ist, in diesen so außergewöhnlichen Zeiten zu
handeln."
Die linksunabhängige "Liberation":
"Jacques Chirac ist wiedergewählt worden, aber da hört sein Talent
auch schon auf. Eine überwältigende Mehrheit der Franzosen hat in
einem Referendum für ihn gestimmt, was er selbst nicht erwartet
hatte. Gesiegt haben bei dieser improvisierten Volksabstimmung die
Franzosen. Das Amt des Präsidenten ist dadurch noch ein Stück weiter
geschwächt worden, auch wenn die Linken massiv für Chirac gestimmt
haben. Diese Stichwahl bestätigt eine neue Tendenz seit der ersten
'Kohabitation'. Die Präsidentenwahl ist nicht mehr die entscheidende
Abstimmung. Die Parlamentswahlen entscheiden über die wirkliche Macht
des Staatschefs: Entweder die volle Ausübung der Macht oder die
Besenkammer. Am 16. Juni wird die neue Spielregel aufgestellt..."
Die Wirtschaftszeitung "Les Echos":
"Der Sieg von Jacques Chirac wird zwar in die Rekordbücher
eingehen, doch damit hat er den Kampf noch nicht gewonnen. Um
wirklich zu siegen, muss er die Parlamentswahlen im Juni gewinnen und
eine regierungsfähige (bürgerlich-konservative) Mehrheit bekommen. Er
muss auch die Wirtschaftstätigkeit wiederbeleben. Gewiss ist das
Wachstum in Sicht, doch es reicht nicht, die positiven Statistiken zu
registrieren. Die Steuern müssen sinken, um den Franzosen einen Teil
ihrer Kaufkraft zurückzugeben, die Soziallasten müssen
heruntergeschraubt werden, damit die Unternehmen Arbeitsplätze
schaffen können - die Rezepte sind vorhanden, um den Kampf gegen die
Arbeitslosigkeit wirksam zu führen und die Arbeitslosenquote unter
den europäischen Durchschnittswert zu senken." (APA/dpa)