Erfurt - Zehn Tage nach dem Massaker in Erfurt hatten die Schüler des Gutenberg-Gymnasiums am Montag erstmals wieder Unterricht. Eltern sprachen von einem zaghaften Schritt zur Normalität nach einer Woche im Ausnahmezustand. "Wir wollen deutlich machen, es geht weiter", sagte Erfurts Oberbürgermeister Manfred Ruge. Bei einem Treffen mit den Ministerpräsidenten der Länder wollte Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) am Abend über politische Konsequenzen aus der Bluttat mit 17 Toten beraten. 670 Schüler der 5. bis 11. Klassen starteten abgeschirmt von Polizei und Wachschutz den Unterricht in einer Ersatzschule in Erfurt. Zunächst sind nur vier Stunden täglich geplant. Psychologen betreuen die Burschen udn Mädchen, von denen viele noch unter dem Eindruck der Tat stehen. Nach Angaben des Kultusministeriums leisten 60 Lehrer aus ganz Thüringen und zehn aus Mainz, der Partnerstadt Erfurts, Aushilfe. Unterdessen stellten sich die Eltern des Amokläufers vor den in die Kritik geratenen Lehrer Rainer Heise. "Bitte, bitte, nicht noch ein Opfer", sagte der Vater von Robert Steinhäuser der "Thüringischen Landeszeitung" (Montagausgabe). Der Kunst- und Geschichtslehrer, der als "Held von Erfurt" bezeichnet wurde, stellte sich nach eigenen Angaben dem Amokläufer in den Weg, sperrte ihn ein und soll damit das Massaker beendet haben. Er war in Erfurt angefeindet worden, weil er in mehreren Medien ausführlich von seinen Taten berichtete. Heise unterrichtete am Montag wieder. Unter großer Anteilnahme sollten am Montag im Kreis von Angehörigen und Bekannten drei weitere der getöteten Lehrer beerdigt werden. Für die 80 Schüler des Maturajahrgangs, die von dem Todesschützen aus den Prüfungen gerissen wurden, begannen Gespräche über individuelle Lösungen für einen vollwertigen Abschluss. Der ehemalige Gutenberg-Schüler Robert Steinhäuser hatte am 26. April zwölf Lehrer, zwei Schüler, eine Sekretärin und einen Polizisten erschossen. Anschließend tötete er sich selbst. Er war nach Angaben seiner Eltern seit langer Zeit in eine virtuelle Welt der Gewalt abgeglitten. Bei einem Treffen mit den Länderchefs wollte Schröder über Konsequenzen beraten. Bund und Länder sind sich weitgehend einig, dass das gerade im Bundestag beschlossene Waffenrecht weiter verschärft werden soll. Im Gespräch ist unter anderem die Anhebung des Alters für den Waffenbesitz von 18 auf 21 Jahre. Das Gesetz soll am 31. Mai im Bundesrat beraten werden. Der Thüringer Schützenbund kritisierte den Schützenverein "Domblick". Über ihn war der Täter zu seinen Waffen - einer Pistole und einer Pumpgun - gekommen. Dem Verein sei der Vorwurf zu machen, einem 18-jährigen Anfänger großkalibrige Waffen befürwortet zu haben. Die Stadt Erfurt war ebenfalls in die Kritik geraten, weil sie nicht bemerkt hatte, dass Steinhäuser die Waffenkäufe nicht registrieren ließ. Oberbürgermeister Ruge (CDU) hatte schärfere Kontrollen der Waffenbesitzkarten angekündigt. (APA)