Von Ursula Kneiss
Wien - In den Monaten Mai und Juni bespielen die Wiener Festwochen die Halle G des Tanzquartiers (TQW). Für TQW-Chefin Sigrid Gareis kein Grund, um vorzeitig in die Sommerfrische zu gehen. Am kommenden Mittwoch, dem 8. Mai, startet sie eine "Factory Season". Damit gemeint ist ein bis Ende Juni anberaumtes, mehrere Schienen umfassendes Programm, an dem 51 Personen aus den Bereichen Tanz, Performance, Theater, bildende Kunst, Musik und Theorie beteiligt sind.

Gareis dazu dem STANDARD gegenüber: "Wien ist eine wirklich interessante Stadt. Und das wollte ich immer schon den Leuten von außen vermitteln. Ich stellte mir vor, die Künstler sollten kommen, ihre Studios verlassen und sich hineinbegeben in die City, rein in die ganze Stadt."

Bezirkserkundung

Ergeben hat sich aus diesem Wunsch Wien umgehen; ein topografisches Projekt - 23 lokale wie internationale Künstler wurden eingeladen, daran teilzunehmen. Jedem von ihnen wurde per Los einer der Wiener Bezirke zugeordnet. Zehn Tage lang hat nun jeder Künstler in einer speziell für dieses Unterfangen gemieteten Wohnung zu leben, hat "seinen" Bezirk zu erkunden und muss ein spezifisches Objekt finden, das seiner Erfahrung entsprechend das Lokalkolorit "materialisiert". Dieses Objekt wird dann Teil der stetig wachsenden, im TQW/Studio Nr. 2 von Barbara Holub angesammelten Rauminstallation.

Wer sich tagsüber oder jeweils mittwochs und freitags (20.30 Uhr) die - mit Wien nicht unbedingt in Zusammenhang zu bringenden - Performances der Gastbezirksforscher im Studio Nr. 3 ansehen wird, erlebt en passant den Bau des topografischen "Wien"-Sammelsuriums mit.
Die in die jeweiligen Bezirke gelotsten Künstler genießen in der lokalen Ausgestaltung kreativen Freiraum. Sigrid Gareis: "Was vor Ort passiert, hat momentanen Charakter. Was da vor sich gehen wird, wissen wir selbst noch nicht. Die Künstler haben ihre Freiheit."

Manche Aktionen könnten kurzfristig über "eSeL", den rasenden Reporter von Radio Orange, verkündet werden. Dieser dokumentiert zumindest das aktuelle Geschehen, komprimiert die Eindrücke und Interviews auf eine Stunde Radiosendezeit. Die Samstag-Salons in den TQW-Studios, samt eventueller performativer Einalgen und ergänzt durch soziologische Crossover-Vorträge, verkünden das jeweilige, meist auf drei Bezirke geraffte Resümee.


Lebende Objekte

Zur ersten Runde gehört der Wiener Choreograf Paul Wenninger. Er hat den ersten Bezirk per Los gezogen, wohnt nun temporär in der Biberstraße. Was er vorhat? Dazu Paul Wenninger: "Ich möchte die soziologische Seite aufarbeiten. Wer wohnt hier? Wer und für wen arbeitet man hier? Was passiert neben den großen Geschäften? Hier herrscht eigentlich 24-Stunden-Betrieb. Requisiten, exklusive Papiertaschen werden sich schon finden."

Am liebsten allerdings würde er ein lebendes Objekt, den Bezirksvorsteher, mitbringen. Aber der wird sich wohl kaum in die Installation einbauen lassen. Für weitere Überlegungen hat Paul Wenninger noch Zeit bis kommenden Samstag, wo er gemeinsam mit Andrea Bold und Katrina Daschner Aktionen setzen soll. Danach (ca 21.30) Filmprogramm mit Framed 1: Konnotierte Architektur . (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 07.05. 2002)