Wien - Österreichs Stromregulator Walter Boltz will die vor einer Woche von Bundeskanzler und Landeshauptleuten feierlich präsentierte große heimische Stromlösung vor das Kartellgericht bringen. Das sei nicht überraschend, sondern eine Selbstverständlichkeit, hieß es dazu unisono in der Strombranche und im Wirtschaftsministerium. Was dazukomme: Zuerst müssten die Vertragsdetails zwischen den Energieunternehmen aus-verhandelt werden.Boltz will offenbar präventiv tätig werden und die sechs Stromfirmen dazu bringen, seine Einwände schon in den Detailverhandlungen zu berücksichtigen. Selbst aktiv kann er nämlich noch gar nicht werden: Erst nach Inkrafttreten der Kartellgesetznovelle Anfang Juli ist auch der Stromregulator berechtigt, einen Prüfantrag bei der Wettbewerbsbehörde zu stellen. Wie berichtet, haben sich der Verbund und die EnergieAllianz (EVN, Energie AG Oberösterreich, Wienstrom, Bewag und Linz AG) auf eine umfassende Kooperation geei- nigt. Kernstücke der Austrian- Energy (so der Arbeitstitel) sind eine gemeinsame Handelsgesellschaft und eine gemeinsame Firma für die Belieferung der Großkunden. Enttäuschung Das Ziel von Boltz: Es soll noch ein bisschen Wettbewerb am Energiemarkt in Ostösterreich übrig bleiben. Boltz sieht in einigen Bereichen Probleme für den Wettbewerb und fürchtet, dass die Haushalte die Zeche für die Elektro- ehe zahlen müssen. Hauptkritikpunkt des Chefs der E-Control: "Ich bin enttäuscht, dass die beteiligten Firmen die Kostensenkungsmöglichkeiten noch nicht ausgeschöpft haben. Ich vermisse bei jenen Bereichen, die Haushalten unmittelbare Kostenvorteile bringen, das gleiche Engagement, dass die Unternehmen bei der Ausschaltung des Wettbewerbs an den Tag legen", kritisierte Boltz. Prüfungsbedarf ortet der Regulator bei den Bereichen Ausgleichsenergie (die Abrechnung zwischen der tatsächlich ins Netz gelieferten Energie und den verbrauchten Mengen) und der gemeinsamen Steuerung des Kraftwerksparks von Verbund und den EnergieAllianz-Mitgliedern. Weil es in Ostösterreich künftig beim Strom einen Dominator geben wird, müsse es strenge Auflagen geben. Darüber hinaus will Boltz, dass die sechs Unternehmen ihre Leitungen auch gesellschaftsrechtlich trennen. Davon könnten Haushalte unmittelbar profitieren: Derzeit macht die Leitungsmaut den Löwenanteil der Stromrechnung aus. "Durch die Entflechtung werden die Netzgebühren sinken, weil es dann keine Möglichkeit von Quersubventionen mehr gibt." Zugleich würde die Gleichbehandlung aller Lieferanten gewährleistet. Eine eigene Netzgesellschaft sei nicht erforderlich, aber sinnvoll. Man könnte so die demnächst vorliegende EU-Richtlinie vorziehen. (Clemens Rosenkranz, DER STANDARD, Printausgabe 8.5.2002)