Videostill Beryl Korot/Festwochen
Wien - Die rasante Technisierung des Alltags im 20. Jahrhundert und ihre unabsehbaren ethischen Konsequenzen behandelt die Dokumentarvideooper "Three Tales" von Steve Reich und Beryl Korot, die im Zuge der Wiener Festwochen zur Uraufführung kommt. Der Absturz der Hindenburg, die Atombombentests im Bikini-Atoll und das Klonschaf Dolly stehen im neuen Gemeinschaftswerk des einflussreichen Minimalismus-Pioniers und der Videokünstlerin im inhaltlichen Mittelpunkt einer technikkritischen, selbst jedoch technisch anspruchsvollen Produktion. Historisches Film- und Videomaterial In der Regie von Nick Mangano kombiniert "Three Tales" historisches Film- und Videomaterial, Interviewaufnahmen und Fotografien, die per Computer bearbeitet wurden und auf eine Zehn-Meter-Wand projiziert werden, mit Stimmen des Sängerpools "Synergy" und dem Ensemble Modern (unter Bradley Lubman) zu einer "neuen Form des Musiktheaters", so die Festwochen-Ankündigung. Das gemeinsame Auftragswerk zahlreicher internationaler Festivals und Institutionen, darunter auch die Wiener Festwochen, war in Teilen als "work in progress" schon zu sehen, in Wien gibt es nun erstmals das gesamte Stück. Musik/Bilder-Blöcke Den Ausgangspunkt nimmt die Oper in der Technikbegeisterung der 30er Jahre rund um das riesige Luftschiff "Hindenburg", die jedoch mit dem Absturz der "Hindenburg" bei New Jersey (1937) - der ersten großen Katastrophe, die auf Film gebannt wurde - Risse bekommt. Drei Musik/Bilder-Blöcke, je drei Mal wiederholt, beschäftigen sich bei "Bikini" in einer Art Meditation mit den Einwohnern des Atolls, das von 1946 bis 1954 Ort der US-Atombombentests war. Eingewoben in die musikalisch-bildliche Auseinandersetzung sind Variationen der Erschaffung des Menschen aus der Genesis, die rückgängig zu machen mit dem Vernichtungspotenzial der Atombomben möglich wurde. Der menschliche Körper als Maschine und die Gentechnik zeigen schließlich bei "Dolly" die Inwärts-Bewegung der technischen Entwicklung, die nunmehr direkt in den Körper eingreift. Sprache in Zeitlupe Die musikalische Form, die im freien letzten Teil gipfelt, reflektiert die Ästhetik des Zeitalters des jeweiligen Themas. Die theatralische Handlung findet zum Großteil auf der Leinwand statt: Die Diskussion über das materielle, moralische und religiöse Wesen der technologischen Entwicklung wird in Interviewfragmenten von Vertretern von Wissenschaft und Religion erörtert. Im Gegensatz zum 1993 ebenfalls bei den Wiener Festwochen uraufgeführten Bibelstück des Ehepaars Reich und Korot, "The Cave", wo die Musik sich an die Sprache anpasste, werden die Stimmen bei "Three Tales" durch technische Veränderungen in Geschwindigkeit und Tonhöhe an die Musik angeglichen: Sprache in Zeitlupe, die dennoch die Tonhöhe nicht verändert, und Sprach-"Standbilder", wo die Interviews auf einem einzelnen Selbstlaut angehalten werden, der danach weiter zu hören ist, sind Ideen, die der zweifache Grammy-Preisträger Reich schon in den 1960ern hatte, die jedoch erst kürzlich verwirklichbar wurden, heißt es auf der Homepage des Komponisten. (APA)