Österreich
Psychologe: Einzeltäter fühlen sich oft als Auserwählte
Experte sieht Zusammenhang des Attentats mit französischen Präsidentenwahlen
Bu Köln/Bonn - Das Attentat auf Pim Fortuyn kann nach Einschätzung des Bonner
Psychologen Thomas P. Busch mit den Präsidentschaftswahlen in
Frankreich zusammenhängen. "Es ist denkbar, dass der Wahlerfolg
Jean-Marie Le Pens den Täter geängstigt oder verärgert und dann zu
dem Anschlag motiviert hat", sagte der Experte für Rechtspsychologie
am Dienstag in einem Gespräch mit der dpa in Köln.
"Der Erfolg eines Politikers kann - etwa wenn er provokante Thesen
vertritt wie Fortuyn - zu Ohnmachtsgefühlen beim Täter führen", sagt
Busch. "Das Attentat wird dann zu einem Akt der Selbstbefreiung."
Nach Angaben der niederländischen Polizei ist der mutmaßliche
Fortuyn-Attentäter als politisch "extrem links" bekannt.
"Einzeltäter erleben - anders als organisierte Terroristen -
politische Verhältnisse als persönliche Qual", erläutert Busch. "Sie
fühlen sich quasi mitverantwortlich und begreifen sich nicht selten
als Auserwählte." Solche Täter handelten mit dem Gedanken: "Einer
muss es einfach tun." Öffentliche Aufmerksamkeit sei nicht ihr Ziel,
vielmehr litten sie unter einem zwanghaften Verantwortungsgefühl.
Der anvisierte Politiker werde im Geist des Täters zu einer
übermächtigen Symbolfigur, die den Staat oder eine bestimmte
Ideologie repräsentiere. "Diese Täter handeln nicht aus dem Affekt;
sie planen ihre Taten exakt." Beim Attentat auf Fortuyn, dessen
Hintergründe noch nicht geklärt sind, hatte der Täter seinem Opfer
auf dem Parkplatz eines Rundfunksenders aufgelauert.
Gewaltsame Übergriffe auf Politiker seien ein zeitloses Phänomen,
betonte Busch. "Das hat es zu allen Zeiten gegeben." So hatte 1968
ein 29-Jähriger ein geplantes Revolverattentat gegen den damaligen
deutschen Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger (CDU) mit der
"Verbitterung über die vielen Millionen Mark Entwicklungshilfe"
begründet. Die Ostpolitik der SPD verleitete 1971 einen Hamburger
Gärtner zu einer versuchten Messerattacke auf Bundespräsident Gustav
Heinemann.
"Politiker können sich im Grunde nicht gegen solche Übergriffe
schützen", sagt Busch. "Wer im Licht der Öffentlichkeit steht, lebt
immer mit dem Risiko eines Anschlags, weil er Projektionsflächen
bietet. Da hilft es auch nicht, wenn man weniger Interviews gibt oder
das Privatleben geheim hält." (APA/dpa)