Brüssel - Schluss für ein Steuerschlupfloch im Internet: Alle Anbieter von elektronischen Dienstleistungen, die außerhalb der EU ihren Sitz haben, müssen bei Geschäften mit Europa künftig Mehrwertsteuer abführen. EU-Firmen, die in Drittländer liefern, sind dafür in ihrer europäischen Heimat von der Steuerpflicht befreit. Der EU-Finanzministerrat beschloss am Dienstag in Brüssel eine entsprechende Richtlinie, die Wettbewerbsnachteile von EU-Unternehmen im E-Commerce beseitigt.Ende einer Ungleichbehandlung Was auf den ersten Blick ungerecht aussieht, ist vielmehr das Ende einer Ungleichbehandlung. Bisher mussten nämlich EU-Firmen, die ihre Softwarelösungen, Datenbanken oder anderen Dienste elektronisch in Drittstaaten verkauften, dafür in ihrem Sitzland den dort gültigen Mehrwertsteuersatz abführen. So will es das herkömmliche "Herkunftslandsprinzip" im Mehrwertsteuerrecht. Ihre Konkurrenten aus dem Nicht-EU-Ausland hingegen, die ihre Dateien an Verbraucher in Europa sendeten, unterlagen - nach demselben Prinzip - keiner Steuerpflicht in der EU. Über diesen Wettbewerbsnachteil beklagten sich die europäischen Dienstleister natürlich lautstark. Ihr Wunsch, zur Förderung des E-Commerce für eine Übergangszeit erst einmal überhaupt keine Mehrwertsteuer auf elektronische Services zu berechnen, wurde ihnen aber von den EU-Finanzministern dann freilich doch nicht erfüllt. Die Konkurrenz aus den USA und anderen Drittstaaten muss nach den neuen Vorschriften, die am 1. Juli 2003 wirksam werden, freilich keine allzu großen Nachteile fürchten. Denn für sie ändert sich nur etwas, wenn sie an den Endverbraucher liefern. Bei E-Commerce-Geschäften mit anderen Unternehmen ("Business to business") kamen sie auch bisher bei der Kalkulation ihrer Preise nicht um die Mehrwertsteuer herum: Es ist und bleibt nämlich ihr Abnehmer, der die Summe an seinen Heimatfiskus entrichten muss. Auch "Pay per view"-Fernsehen erfasst Nach der neuen EU-Richtlinie - die übrigens auch das "Pay per view"-Fernsehen erfasst - müssen sich nicht europäische Anbieter nun in einem EU-Land ihrer Wahl steuerlich registrieren lassen, um ihren neuen Steuerpflichten nachkommen zu können. (Jörg Wojahn, DER STANDARD, Printausgabe 8.5.2002)