Gestern hat mir ein Kollege zwar mit gebrochenem Blick, aber nicht ohne Stolz erzählt, dass er am Montag den Treffpunkt Kultur erstmals von Anfang bis Ende durchgestanden hat. Mein Kollege ist ein sehr, sehr kranker Mann.Wie alle Menschen aber, die mit ihrem Leben vor der Zeit abgeschlossen haben, umkränzt ihn nicht nur der Flor des Tragödischen. Er verbreitet auch die Aura eines Märtyrers. Bitte, es geht hier immerhin um ganze eineinhalb Stunden erweiterten Kulturbegriff mit der Betonung auf Hoch und Barbara Rett! Jetzt muss ich mich auf die Erzählung des kranken Mannes verlassen, aber: Allein die Vorstellung, wie Barbara Rett den sehr, sehr lustigen und weiter vorne im Blatt beschriebenen Komm, bastle mit-Künstler Richard Jackson interviewte, der unserer betulichen Kulturvermittlerin die mittelbare Verwandtschaft des englischen Wortes für Bär mit Bier und also Pissoir und Harndrang, unter besonderer Berücksichtigung des Wasserlassens bei mittelständischen weißen Amerikanern nicht wirklich klar machen konnte . . . Manchmal bereut man es doch, dass man für Treffpunkt Kultur zu nervenschwach gebaut ist. Dafür habe ich das letzte Mal den Abspann von Kulturkiste mit Grissemann & Stermann in den ORF-Kunststücken geschafft und danach immerhin eine dreiviertel Stunde von Emir Kusturicas Underground gesehen, ohne über Gebühr durstig zu werden. Na ja, ein Viertel Rot ist es dann doch geworden. Ohne Sedativ kann man sich Kultur normal ja gar nicht vorstellen. (schach/DER STANDARD, Print-Ausgabe vom 8./9. Mai 2002)