Wien – Der amerikanische Millionenbetrüger Shalom Weiss wird jetzt doch an die US-Behörden ausgeliefert. Das hat am Mittwochnachmittag ein Senat des Wiener Oberlandesgerichts (Vorsitz: Rudolf Lässig) nach langwierigen Beratungen beschlossen.

Der 48-jährige ehemalige Klo-Fabrikant zählt in den Vereinigten Staaten zu den meist gesuchten Verbrechern: Er ist in Abwesenheit zu 845 Jahren Haft verurteilt worden, nachdem er zu Beginn der neunziger Jahre mit gefälschten Schecks eine Versicherungsgesellschaft gekauft und danach die Konten tausender Pensionisten in Florida geplündert hatte. Gesamtschaden: Umgerechnet 538 Millionen Euro.

Auf die Liste der zehn meist gesuchten Verbrecher

Nach dem drakonischen US-Urteil war Shalom Weiss Richtung Europa untergetaucht, worauf ihn das FBI auf die Liste der zehn meist gesuchten Verbrecher setzte. Im Oktober 2000 erwischte man ihn bei seiner Geliebten in Wien.

Wien lehnte Auslieferung bisher ab

Die Vereinigten Staaten bemühten sich seither um seine Auslieferung, die das Wiener Oberlandesgericht zunächst mit dem Hinweis auf die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) ablehnte: Weiss hätte sich bei seinem Prozess nicht persönlich verantworten können, demnach kein faires Verfahren gehabt.

Der Oberste Gerichtshof nützte allerdings eine dagegen eingebrachte Nichtigkeitsbeschwerde, um diese Rechtsansicht zu "korrigieren". Ein zweiter OLG-Senat musste in dieser Sache neuerlich entscheiden. Der Präsident des Wiener Oberlandesgerichts, Alois Ramoser, räumte am Mittwochnachmittag im Gespräch mit der APA ein, die Ansicht der Höchstrichter wäre in die nunmehr getroffene Entscheidung eingeflossen. Es bestünde "irgendwie doch eine Bindungswirkung", sagte Ramoser.

"Das Ausliefern ist in diesem Fall nicht menschenrechtswidrig"

"Das Ausliefern ist in diesem Fall nicht menschenrechtswidrig", erläuterte der OLG-Präsident. Eine Meinung, die vier anerkannte Strafrechtsprofessoren nicht teilen, die im Auftrag von Verteidiger Manfred Ainedter ein Gutachten vorgelegt haben, demzufolge die Auslieferung wegen des so genannten Verschlechterungsverbots nicht mehr zulässig sei. Die 845 Jahre Haft entsprächen immerhin einer lebenslangen Freiheitsstrafe.

845 Jahre sind keine unmenschliche Strafe

"Der jetzige Beschluss heißt, dass 845 Jahre keine unmenschliche Strafe sind", kommentierte Ainedter gegenüber der APA den in seinen Worten "enttäuschenden Ausgang" des Verfahrens. Der Senat habe so getan, "als wäre die erste Entscheidung des Oberlandesgerichts nicht existent", bemerkte der Anwalt. Er ortete darin einen "Zynismus der besonderen Art" und stellte fest: "Das Recht ist biegsamer, als ich nach über 20 Jahren Anwaltspraxis geglaubt habe."

Gegen den Auslieferungsbeschluss ist kein ordentliches Rechtsmittel mehr zulässig. Das Erkenntnis muss jetzt zunächst ausgefertigt werden und wandert dann ins Justizministerium, wo der Minister endgültig darüber entscheidet. "Die Hoffnung ist noch nicht endgültig begraben", sieht Ainedter noch eine kleine Chance für seinen Mandanten, in Österreich bleiben zu können. Diesfalls würde sich Shalom Weiss in einem Inlandsverfahren wegen der begangenen Betrügereien verantworten müssen, wobei das US-Urteil unberücksichtigt bliebe. Der Strafrahmen für schweren Betrug beträgt hier zu Lande maximal zehn Jahre Haft. (APA)