Wien - Ein unvollständiges Podium präsentierte sich Mittwochabend im Wiener Semper-Depot. Zur Frage, ob Wehrmachtsdeserteure vergessenen Opfer des Nationalsozialismus seien, wollte weder ein Vertreter des Justizministeriums, noch ein Vertreter des Nationalfonds für Opfer des Nationalsozialismus Stellung nehmen. Hugo Pepper, Deserteur und Widerstandskämpfer, ließ sich davon wenig beeindrucken: "Imponiert hätte mir eine solche Diskussion ohnehin nur vor 20 Jahren." Dass Deserteure nach 1945 rechtlich und sozial diskriminiert wurden, darüber waren sich Pepper, die Grüne Abgeordnete Terezija Stoisits, der Rechtsanwalt Reinhard Kohlhofer und die Historikerin Maria Fridsche, einig. Bisher hätte der Nationalfonds nur drei Deserteuren eine Entschädigung zugesprochen. Rund 17 Fälle seien nicht positiv erledigt worden, berichtet Stoisits. Sie hofft auf eine Änderung der Spruchpraxis: "Im Komitee des Fonds gibt es eine Mehrheit für die Anerkennung der Deserteure als NS-Opfer". Keine Rehabilitation "Eine der ersten Taten der Republik nach der Befreiung war es, ein Gesetz zu erlassen, wonach die Verurteilten der Militärjustiz rehabilitiert werden müssten", erklärte Kohlhofer. Geschehen sei de facto aber nichts. Erst 1999 sei ein Urteil gegen einen Kriegsdienstverweigerer aufgehoben worden. Einige weitere Rehabilitierungen folgten. "Die Nichtigkeitsurteile waren eine große Erleichterung für die Angehörigen. Bisher galten sie vor allem in ländlichen Gebieten als Verbrecher." "Es hat mehr Mut dazu gehört, den Befehl zu verweigern, als ihm zu gehorchen", sagte Maria Fridsche. Sie arbeitet in jenem Forschungsprojekt mit, das im Auftrag des Wissenschaftsministeriums die rechtliche Rehabilitation der Opfer der NS-Militärjustiz vorbereiten soll. "Die Militärjustiz war keine unpolitische Instanz, sie stand ganz im Dienst der NS-Führung." Fridsche schätzt, dass rund 1.800 österreichische Deserteure verurteilt und davon 1.300 getötet worden sind. Als besondere Ungerechtigkeit empfanden die Teilnehmer, dass Deserteure für ihre Haftstrafen keine Ersatzzeiten in der Pensionsversicherung angerechnet werden. Stoisits forderte zum Abschluss die Anerkennung dieser Ersatzzeiten sowie die pauschale Aufhebung der Unrechtsurteile. "Der Deutsche Bundestag beschließt eine kollektive Rehabilitierung der NS-Militärjustizopfer am 15. Mai dieses Jahres", ergänzte die Historikerin Fridsche. (APA)