Andreas Felber

Ulrichsberg - Die Zeiten, in denen sich in Ulrichsberg selbst der Herr Pfarrer in sonntägigen Predigten gegen die seltsamen Klänge wandte, die da immer wieder aus dem ehemaligen Bauernhaus am Ortsrand zu vernehmen waren, sind längst Geschichte. Mittlerweile hat man sich bestens etabliert im abgelegenen Mühlviertler 1000-Seelen-Dorf, das keineswegs mit dem Kärntner Ort des Geden- ktreffens verwechselt werden will.

Lachenmann- und Xenakis-Fan Nikos Veliotis machte sich zur Eröffnung des 17. Kaleidophons an seinem Cello zu schaffen. Mittels eines waghalsig durchhängenden Bogens meditierte er an der Grenze zur Stille, irisierenden mehrstimmigen Soundschichtungen und Obertonstrukturen lauschend, die dank minimalistischer Repetition freilich dennoch etwas karg blieben. Repräsentativ für die angesichts des aktuellen Booms elektronischer Improvisationstechniken etwas konservativ anmutende, diesjährige Programmausrichtung ließen sich zudem Vertreter der europäischen freien Szene hören:

Mit - subjektiven - Entdeckungen an unvermuteter Stelle: am Schlagzeughocker. Der Brite Mark Sanders entlockte seinem Drumset poröse und dennoch energievolle, in ihrer konzentrierten Filigranität reichhaltigst differenzierte Klanggranulate, die sich bestens in die elektrisierende Dichte des Interplays mit Bassist John Edwards und Pianist Veryan Weston einfügten. Sein norwegischer Instrumentalkollege Paal Nilssen-Love hingegen agierte in virtuos fließenden Bewegungen, gepaart mit hellwacher Reaktionsfreudigkeit und klangfarblicher Sensitivität. Die er mit elementaren Bassgängen Öyvind Storsunds an der Basis verwob, auf der wiederum Saxofonist Frode Gjerstad seine von archaischen Albert-Ayler-Anklängen bis zu ekstatischen Klanggirlanden in höchsten Registern solistische Runden drehte.

Es war ein guter Tag in Ulrichsberg, dem heute, Samstag, ein gebührender Abschluss folgt: mit dem Trio Urs Leimgruber/Jacques Demierre/Barre Phillips, dem Duo Dave Liebman/Wolfgang Reisinger und dem hippen Berliner Trio Tipper Gore.

(DER STANDARD, Print, Sa./So., 11.05.2002)