Wien - "Für mich bitte weiße Soße dazu", verlangt der stämmige Bursch. "Und noch drei Laberln dazu - scharf!" Ergänzt die rundliche Mutter die Familienbestellung nach fleischgefüllten Fladen. Im U-Bahn-Takt, alle vier Minuten, drängen Hungrige in die U-Bahn-Station Hietzing. Der türkische Wirt kommt kaum nach, mit dem Messer das Fleisch vom Spieß zu säbeln. Gleich daneben, in der Bäckerei, verschwinden taktgleich Topfenrolle und Pusztaweckerl vom Ladentisch fast direkt in die Münder der Kundschaft.

Die Fastfoodwelle auf Wienerisch hat beinahe alle erfasst. Was sich nicht bloß in dahineilenden Essern auf der Straße zeigt. Vielmehr mag als sichtbares Zeichen dieser Essgewohnheiten die Zahl der kleinen Imbissläden und Bäckereien, die sich vor allem in U-Bahn-Nähe niederlassen, gelten.

Bei den Wiener Linien zählt man derzeit 1200 Mietobjekte in den U-Bahn-Stationen, in denen neben vielen Kleinunternehmern elf große Backfilialisten mit dem schnellen Weckerl ihr Geld machen. Zu den größten gehört Ankerbrot, mit neun Filialen direkt in den Stationen, 19 weitere hat man in unmittelbarer Nähe eingerichtet. Bei Ströck zählt man zehn Filialen (von insgesamt 37) im selben Umfeld.

Die Brüder Gerhard und Robert Ströck bereiten in ihrer Küche durchschnittlich 12.000 gefüllte Weckerln, Schinkenbaguettes, Aufstrichbrote am Tag. Für Kurt Mann, ebenfalls Wiener Großbäcker, sind die Imbisse überhaupt zum großen Umsatztreiber geworden. "Bei ein paar Hundert Prozent" liege das Wachstum im Vergleich zur Mitte der 90er-Jahre.

Lukrative Jause

Und auch bei den Wiener Linien nascht man am lukrativen Jausengeschäft gerne mit. Als Eigentümer der U-Bahn-Stationen und der meisten dazugehörigen Gebäude erwirtschaftet man 2,5 Millionen Euro pro Jahr an Mieteinnahmen. Und Martin Oedendorfer von der Rechtsabteilung der Wiener Linien blickt weiterhin rosigen Ertragszeiten entgegen: "Für die Ausbaustrecken von U1 und U2 haben wir schon zwei Ordner voll Bewerbungen für Geschäfte."

Süßes und Saures ist aber nicht alles, was zum Konsum verführen soll. "Wir versuchen einen ausgewogenen Produktmix", erklärt Oedendorfer, weshalb auch Blumen, Zeitungen, Bücher, Schmuck oder Handyzubehör für meist eilige Kunden bereitliegen. Heikel sei man bei Geschäftsideen, die etwas "mit der Zubereitung von warmem Fleisch zu tun haben". Da ist einmal die Brandgefahr beim Kochen ein Grund. Der zweite: Geruchsempfindliche Fahrgäste goutieren strengen Essensgeruch nicht. Einzige Ausnahme, weil die Wienerinnen und Wiener schon so daran gewöhnt sind: knuspriges Fleisch zwischen Tomaten im Döner Kebab.(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 13. 05. 2002)