Berlin - Sechs Musiker in Schwarz betreten die Bühne, offenbar den Raum eines Irrenhauses, und beginnen mit lasziven Gebärden ihre Instrumente zu stimmen. Plötzlich bebt die Erde, Wände stürzen ein. Die Menschen auf der Bühne reagieren höchst unterschiedlich. Schließlich eint sie das Erzählen von Witzen. "Das Leben ist trotz dieses Bebens das Schönste, das Gott uns gegeben hat", sagt einer. - Szenen aus dem "Erdbeben-Concerto" von George Tabori, das am Mittwoch in seiner Inszenierung auf der Probebühne des Berliner Ensembles seine Uraufführung erlebt.Improvisation Das Stück sei vor einem Jahr entstanden, erzählt der Regisseur, der am 24. Mai 88 Jahre alt wird, nach einer Probe, im rot-samtenen Fauteuil sitzend, mit einem verdrückten Hut auf dem Kopf, die Hand auf dem silbernen Griff eines Stocks gelegt. Damals, vor einem Jahr, habe er Verschiedenes geschrieben. Die Texte habe er mit den Schauspielern improvisiert: "Es hat sich geändert und ändert sich immer noch", sagt Tabori. "Ich habe das gern, weil die Improvisation das Wichtigste ist. Ich habe noch nie so improvisatorisch gearbeitet." "Das Erdbeben-Concerto" sei aus drei anderen Stücken entstanden. Anfangs habe es nur zwei Hauptdarsteller gegeben, eine weitere Rolle hätte nur ein paar Sätze zu sagen gehabt. Bei den Proben versuche er "die Sachen zu hören, als ob ich sie zum ersten Mal höre". Zudem sei "alles, was man schreibt, autobiografisch". Gleichzeitig seien aber die Schauspieler die Wichtigsten, nicht der Regisseur oder der Autor. Improvisation, das heißt für Tabori Änderungsmöglichkeiten bis zum Schluss. Etwa bei den Kostümen. Vor drei Tagen sei ihm aufgefallen, dass sie zu elegant seien: "Warum ziehen die im Irrenhaus so etwas Elegantes an? Das werden wir ändern. " Über das Leben und den Tod Erdbeben hätten für ihn stets eine große Bedeutung gehabt, sagt der Autor: "Ich habe zwei wirkliche Erdbeben erlebt: 1940 in Rumänien und in Sofia. Ich weiß nicht, warum es in Berlin noch nie ein Erdbeben gegeben hat. Wir haben Glück hier." Wie in all seinen Stücken sei auch in diesem der Tod präsent. "Worüber schreibt man denn? Über das Leben und den Tod." Worum es sonst im Stück geht? Tabori zitiert Brecht: "Es ist nicht so sondern so." Die Besetzung des Stücks stand für Tabori schon von Anfang an fest. Die meisten Schauspieler kannte er von früher. Die sechs irren Musiker spielen Boris Jacoby, David Bennent, Ursula Höpfner, Eleonore Zetzsche, Margarita Broich und Axel Werner. "Zwei haben heute mit Peymann probiert", stellt der Regisseur missbilligend fest, "nach 20 Jahren in Amerika und zehn Jahren in England habe ich mich noch nicht daran gewöhnt, dass Schauspieler in einem anderen Stück arbeiten." (APA)