Wien - Das Holocaust-Mahnmal auf dem Wiener Judenplatz ist für den in Kanada lebenden Kurt Yakov Tutter, Jahrgang 1930, nicht genug. Er wünscht sich für seine Heimatstadt, die er 1939 verlassen musste, neben dem abstrakten Mahnmal eine Gedenkstätte mit allen Namen der mehr als 60.000 österreichischen Opfern der Shoah. Umsetzen will er seine Vision auf den Aspang-Gründen in Wien-Landstraße. Mit einer kleinen, prominent besetzten Projektgruppe versucht er nun, für seine Idee zu werben. Am 22. Mai will Tutter bei einem Informationsabend in Wien informieren. Als Unterstützer für sein Vorhaben hat Kurt Y. Tutter neben Hannah Lessing, der Generalsekretärin des Nationalfonds für Opfer des Nationalsozialismus, auch Klaus Lohrmann, den Direktor des Instituts für Geschichte der Juden in Österreich, den früheren Botschafter in Kanada, den Gesandten Walther Lichem, sowie Gabriele Kohlbauer Fritz, Kuratorin am Jüdischen Museum Wien, gewinnen können. Idee geboren Den Anstoß für sein Engagement hat Tutter, der trotz bürokratischer Hindernisse auch die österreichische Staatsbürgerschaft wieder angenommen hat, bei einem Besuch in Wien 1997 bekommen. Damals wogte gerade die Debatte über das "Mahnmal" am Judenplatz. "Ich kam zur Einsicht, das 'Mahnmal' am Judenplatz wird die 65.000 jüdische Märtyrer Österreichs noch einmal, und jetzt endgültig, im Bereich der Namenlosen Zahlen und Nummern überlassen." Die Bevölkerung werde ihre ermordeten jüdische Mitbürger weiter ignorieren können, befürchtete er, "gedeckt von abstrakten Begriffe wie 'Der Holocaust' und 'Die Nazis'." Sein Projekt hingegen soll der Erinnerung an die Namen dienen, die auf zwei Meter hohen, polierten Granitmauern eingraviert werden sollen. Fünf Mauern mit einer Länge von je 65 Metern Länge könnten bei einer Schrifthöhe von zwei Zentimetern die Namen aller Opfer aufnehmen. Dafür würde ein 120 mal 120 Meter, knapp 15.000 Quadratmeter großer Teil der Aspang-Gründe benötigt, die als Stadtentwicklungsgebiet gelten. Der in diesem Bereich liegende "Platz der Opfer der Deportationen" wäre jedenfalls zu klein, betont Tutter. Der Standort wäre jedenfalls "höchst geeignet", ist der Projektbetreiber überzeugt. Vom Aspangbahnhof, der früher an dieser Stelle stand, sind insgesamt 47 Transporte mit etwa 50.000 österreichischen Juden in die Vernichtungslager des nationalsozialistischen Regimes abgegangen. Ursprünglich hatte er an den Heldenplatz als Standort gedacht, berichtet der Projektbetreiber. Die möglichen Kosten gibt er mit rund 12 Millionen Euro an, finanzieren sollte die Republik Österreich. Hilfestellung Möglich wurde die Umsetzung mit dem vorläufigen Abschluss der namentlichen Erfassung der Shoah-Opfer durch das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands (DÖW). Das DÖW hat eine Datenbank mit den Namen von rund 61.000 Opfern angelegt, die auf CD erhältlich, aber auch im Internet abrufbar ist (siehe linke Spalte). Unter diesen Opfern sind auch die Eltern Tutters. Die Familie, die am früheren Sterneck- und nunmehrigen Max Winter-Platz in der Leopoldstadt ein Spiel- und Schulwarengeschäft betrieben hat, konnte zwar nach Belgien fliehen. Die weitere Emigration nach Amerika gelang aber nicht mehr, Tutters Eltern wurden 1942 von den Nazis deportiert und ermordet. Kurt Yakov und seine Schwester Rita überlebten, versteckt von einer katholischen Familie in Gent. Nach dem Krieg kam er nach Toronto, wo die jüdische Gemeinde Waisenkinder adoptierte. Hass, Verachtung und Trost Nach Wien kam Tutter erstmals wieder 1974. Tiefer Hass gegen Österreich verwandelte sich im Lauf der Zeit in Verachtung, weil keine Reue zu spüren gewesen sei, erzählt er. "Wohltuender Trost" sei erst gewesen, dass sich in den neunziger Jahren jüngere Journalisten und Historiker mit der "wahren Geschichte" auseinander gesetzt hätten. (APA)