Amsterdam - 600 Millionen Menschen leiden weltweit daran, 2,75 Millionen Betroffene sterben jedes Jahr deshalb einen qualvollen Erstickungstod: COPD (chronisch obstruktive Lungenerkrankung). Um zumindest der größten Gefahr zu entgehen, sollte jeder Raucher alle ein bis zwei Jahre beim Arzt seine Lungenfunktion testen bzw. dazu veranlasst werden. Dies forderten Fachleute am Montag bei einem COPD-Medien-Fachseminar in Amsterdam.Die Krankheit "Die COPD ist eine chronische und fortschreitende Lungenerkrankung mit einer Einschränkung der Lungenfunktion, chronischer Entzündung in den Bronchien und Zeichen einer Überreaktion der Bronchien (auf Reize von außen, Anm.)", erklärte der südafrikanische Spezialist Univ.-Prof. Dr. Eric Bateman (Groote Schuur Hospital/Kapstadt). Mehr als 90 Prozent der COPD-Erkrankungen betreffen Raucher. 15 bis 20 Prozent der Zigarettenfans gleiten in diese Krankheit ab. Sie beginnt mit chronischer Bronchitis, die Lungenfunktion nimmt ständig und rapide ab. Wenn sich dann Kurzatmigkeit und Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit einstellen, ist es bereits sehr spät. Am Ende stehen oft das Lungenemphysem und das Ersticken. Auf dem Vormarsch Die COPD ist global auf dem Vormarsch. Bateman: "Weltweit war die Krankheit im Jahr 1990 die sechst häufigste Todesursache. Bis zum Jahr 2020 wird sie auf den dritten Platz kommen." Die direkten Behandlungskosten sind ähnlich hoch wie jene bei Lungenkarzinomen. Die Behandlung von Asthma kostet nur etwa die Hälfte. Das Problem wird nur noch größer. Während in den USA zwischen 1965 und 1998 die Todesrate in Folge von Herzkrankheiten um 59 Prozent zurück ging, stieg die Zahl der Todesfälle durch COPD um 163 Prozent. Unauffälliger Beginn Der Grund liegt darin, dass sich das Leiden langsam und unauffällig entwickelt. Das hängt ziemlich strikt vom Zigarettenkonsum ab. Bateman: "Typisch wären 40 Jahre mit einer Packung Zigaretten pro Tag. Bei zwei Packungen sind es dann eben 20 Jahre." - Die "Epidemie" reflektiert also die Rauchgewohnheiten vorangegangener Jahrzehnte. Gerade deshalb wäre eine frühzeitige Diagnose der ersten Anzeichen für die Erkrankung von entscheidender Bedeutung. Dr. Michael Rudolf, Pulmologe am Krankenhaus Ealing (Middlessex/Großbritannien): "Wir sehen nur die Spitze des Eisbergs. Bis zu 85 Prozent der COPD-Erkrankungen werden gar nicht erkannt." Diagnose Dabei gibt es eine ganz einfache Methode, die Krankheit zu diagnostizieren: die Lungenfunktionsprüfung (Spirometrie). Die Geräte sind klein, die Untersuchung belastet den Patienten nicht, das Ergebnis liegt binnen Minuten vor. Der Patient braucht nur möglichst stark in das Mundstück des Geräts ausatmen. Doch die Ärzte versagen offenbar bei der Erkennung der Krankheit. Rudolf: "1993 war in Großbritannien nur bei fünf Prozent der COPD-Patienten je eine solche Messung durchgeführt worden. Im Jahr 2000 lag dieser Anteil erst bei 18 Prozent." Selbst die beste Behandlung - der Verzicht auf die Zigaretten - wird von den Ärzten kaum wahrgenommen. Der britische Experte: "In unseren Arztordinationen bekamen 1993 nur zwölf Prozent der COPD-Patienten zumindest den in der Kartei dokumentierten Rat, mit dem Rauchen aufzuhören. Im Jahr 2000 waren es dann 25 Prozent. Das ist eigentlich ziemlich furchtbar." Jedes Jahr zum Test gehen! Die einzige Möglichkeit, an der Misere etwas zu ändern, ist das Propagieren der Spirometrie-Untersuchungen bei den Ärzten und den am meisten gefährdeten Patienten - den Rauchern. Der britische Lungenspezialist Dr. Michael Rudolf: "Natürlich sollte man überlegen, bei jedem Raucher alle ein bis zwei Jahre eine Spirometrie-Untersuchung durchzuführen. Wenn sich da nichts ergibt, heißt das natürlich nicht, dass Rauchen deshalb weiterhin gesund ist. Die Frage ist nur, ob das auch praktisch machbar ist." In Österreich gibt es derzeit vor allem unter den praktischen Ärzten (Allgemeinmedizin) heftige Aktivitäten, die Spirometrie-Untersuchungen endlich zum Routine-Angebot zu machen. Mangelhafte Medikation Doch es mangelt auch an der richtigen Behandlung der Patienten mit chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD). Rudolf belegte das in an Amsterdam eindrucksvollen Statistiken über die Arzneimittel-Verschreibungen: "Inhalierbare Medikamente zur Erweiterung der bei der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung verengten Bronchien sind die wichtigsten Medikamente. Doch in Deutschland entfallen beispielsweise noch immer 26,7 Prozent aller Verschreibungen bei COPD-Patienten auf Husten- und Erkältungs-Medikamente." Damit kann den Patienten nicht geholfen werden. Und weil - so der Fachmann - viele der Therapien für COPD-Patienten einfach aus der Behandlung von Asthma - also einer ganz anderen Erkrankung - übernommen wurden, ist weiterhin noch viel Platz für Verbesserungen da. Eine Lücke soll jetzt das erste ausschließlich für CPOD-Patienten entwickelte Medikament - Tiotropium - schließen. Es wurde vom deutschen Konzern Boehringer Ingelheim (Krebsforschungs- und Gentechnik-Standort in Wien, Anm.) entdeckt. Gemeinsam mit Pfizer soll das Arzneimittel im Rahmen einer Kooperation bald weltweit auf den Markt gebracht werden. Wirkungsweise Der Hintergrund: Bei dem Wirkstoff handelt es es sich um ein Pulver, das einfach inhaliert werden kann und speziell an den Muskarin-Rezeptoren der glatten Muskulatur der Bronchien sowie in Nervenzellen die Rezeptoren für den Nervenbotenstoff Acetylcholin über 24 Stunden hinweg blockiert. Acetylcholin verengt die Bronchien. Das führt zur bisher stärksten durch ein Arzneimttel bewirkten Erweiterung der tiefen Atemwege bei COPD-Patienten. Die Wirkung des nur einmal täglich inhalierten Pulvers wurde über ein Jahr hinweg bei Patienten im Vergleich zu Scheinmedikamenten und kurzfristig wirksamen Substanzen mit diesem Wirkungsmechanismus eindeutig belegt. Laut Univ.-Prof. Dr. Klaus Rabe, Pulmologe an der Universität Leiden in den Niederlanden, verbessert die Behandlung von COPD-Patienten mit dem neuen Medikament die Lungenfunktion um rund 20 Prozent. Das ist für Menschen mit Atemnot schon sehr viel. Rabe: "Wenn jemand 2,7 Liter Atemvolumen hat, wird er das nicht merken. Jemand mit nur einem Liter Restvolumen aber sehr wohl." Wider den Nihilismus Gleichzeitig wurden bei Einnahme von täglich 18 Millionstel Gramm der Substanz unter den Patienten im Vergleich zu Placebo um fast 50 Prozent weniger akute Aufnahmen in Spitäler registriert. Auch die Häufigkeit akuter Verschlechterungen der Erkrankung nahm ab. Rudolf: "Wir müssen bei der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung endlich den Nihilismus durchbrechen, dass es sich dabei um eine (durch den Raucher, Anm.) selbst zugefügte Erkrankung handelt, gegen die es kein Mittel gibt." - Das erste allerdings wäre Nichtrauchen, das zweite die frühe Diagnose. (APA)