Brüssel/Wien - Die Weichen sind gestellt, auch wenn Politiker und Diplomaten nicht einmal in den verschwiegensten Hintergrundzirkeln dazu Stellung nehmen. Es geht um die vollkommene Realisierung einer gemeinsame Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP), der sich die EU gemäß ihrer Tradition in kleinen Schritten, aber konsequent annähert.

Dass man vorankommt, zeigte das erste formelle Treffen der EU-Verteidigungsminister am Montag in Brüssel. Selbst wenn bei oberflächlicher Betrachtung das Treffen keine besonderen Ergebnisse brachte, hat man doch einen wichtigen Schritt getan. Denn informell wird in der EU viel geredet; was zählt, sind formale - also offizielle - Treffen.

Inhaltlich ist die Union seit dem Gipfel in Helsinki positioniert. Die Staats- und Regierungschefs haben im Dezember 1999 die Aufstellung einer Schnellen Eingreiftruppe beschlossen. Sie soll 60.000 Mann umfassen und im Notfall ein Jahr lang durchhalten können. Die bereits bestehenden Ansätze zu einer europäischen Armee, das Eurokorps, werden in diese EU-Truppe überführt. Sie soll Ende 2003 stehen. Im Gespräch sind drei Einsatzvarianten:
  • Nato-geführter Kriseneinsatz;
  • EU-geführte Operation, die auf Nato-Einrichtungen zurückgreift;
  • rein EU-geführte Operation ohne Beteiligung der Nato.

Ziel der ESVP ist die Bewältigung "begrenzter regionaler Krisen in und um Europa", von denen die Nato als Ganzes nicht betroffen ist.

Für das neutrale Österreich ergibt sich daraus eine Gratwanderung. Verteidigungsminister Herbert Scheibner stuft daher die innereuropäische Komponente des Schutzes vor internationalem Terrorismus als prioritäre Aufgabe der ESVP ein. Wohin die Reise geht, deutete er aber bereits beim informellen Treffen der Verteidigungsminister im März in Zaragoza an. Scheibner bekundete, dass "Österreich jedenfalls jede Initiative unterstützt, die auf eine vollwertige Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik" abziele. Dazu gehört für ihn auch die Aufnahme einer Beistandsverpflichtung in den EU-Vertrag.

(DER STANDARD, Printausgabe, 15.5.2002)