STANDARD-Mitarbeiterin Beate Hennenberg

Krems - War es zunächst Amüsement, was sich in den Augen der Besucher der so genannten Racheoper Ria Nackt des Autorenteams Bodo Hell (Text), Renald Deppe (Musik) und Othmar Schmiderer (Film, Inszenierung) spiegelte? Da wird sich der eine oder andere an das Planerfüllungs-Soll im produktiven Leben erinnert haben: In der Werkhalle auf dem Voest-Gelände in Krems drehten sich per Videoprojektion stolze Kräne, rannten Produktionsbänder emsig, und surrten Maschinen wie geschmiert.

Überhaupt geschmiert: Geschäfte, Mafioses, Justizielles war nur ein Themenbereich der anlässlich des Niederösterreichischen Donaufestivals uraufgeführten 99-Minuten-Oper, die außerdem die gesamte abendländischen Existenzphilosophie im Parforce-Ritt abzuhandeln antrat. Dionysische Räusche, Hoffnung auf irdische und himmlische Liebe, Fortschrittsglaube und Lebenslügen treten, multimedial bearbeitet, auf die Ariadne-Handlung.

Diese kam in Form von phönizischen Händlern, einem Labyrinth oder dem unsterblichen Wollfaden auf uns. "Was geschieht, ist immer schon da", orgelt Ine, Nickname von Heroine; als raunendes Orakel sehr nachdrücklich dargestellt von Elfriede Irrall. Und das stimmte leider. Denn Ria Nackt hat sich vielleicht ein bisschen überhoben an der Idee, eine "musikdramatische und künstlerisch interdisziplinäre Neubewertung des Sujets Ariadne auf Naxos" auf die Beine zu stellen.

Miniorchester

In neuer Erlebnisqualität? Die minutenlange Videoprojektion mit originalen Voodoo-Aufnahmen aus dem afrikanischen Busch, wo das Blut so richtig schön spritzte, war wohl nicht so jedermanns Sache. Leki, unterhaltsam gegeben und kompetent gesungen von Altus Bernhard Landauer, gibt eine Art Harlekin; Netty, souverän in Tiefe und Höhe: Johanna Wölfl, stellt die Zerbinetta dar; Accu, ausdrucksstark verkörpert von Andrea Lebeda, die Koloraturen und Staccati souverän meistert, verkörpert die Bacchus-Figur.

Da die Partitur erst zwei Wochen zuvor in Umlauf gegeben wurde, behalfen sich die Sänger mit originellen Methoden, um doch zu interagieren. Renald Deppe teilte die Cappella con durezza (unter der imponierenden Leitung von Hannes Hadwiger) in drei Miniorchester ein. Er unterlegt der Handlung einen Streicher-Klangteppich. Mit dem Ergebnis, dass die Durchkomponiertes umsetzenden Bläser die erste Geige spielten.

(DER STANDARD, Print, 15.05.2002)