Wiener Neustadt - Selbst informierte Beobachter, die davon überzeugt gewesen sind, in all die tiefenpsychologischen Abgründe des Bank-Burgenland-Desasters hinuntergeschaut zu haben, waren überrascht: Für so tief hatten sie die Abgründe denn doch nicht gehalten. Fritz Kleiner, vom Gericht in Wiener Neustadt beauftragt, ein Gutachten zum Untreueverfahren gegen Günter Widder und Manfred Schneider - die Vorstandskollegen des zu neun Jahren verurteilten Ernst Gassner - zu erstellen, eröffnete diesbezüglich allerdings neue Dimensionen.Die Bank Burgenland, so führte er in seinem Vortrag aus, habe seit 1995 Verluste geschrieben. Und nicht Gewinne, wie in den testierten Jahresabschlüssen ausgewiesen. Die Bilanz für das Jahr 1995 sei sogar einer "Bilanzkosmetik" (Paul Maier, Prüfungsleiter der Nationalbank) zum Opfer gefallen. Eine "Konsortialfinanzierung" mit der "Bank Austria Handelsbank" in der Höhe von 100 Millionen Schilling habe das Obligo der Hom-Rusch-Firma "HM Baumanagement und-planungs GmbH" von 250 Millionen so reduziert, dass die eigentlich notwendige Wertberichtigung nicht vorgenommen werden musste, die Bank einen Gewinn von 16 statt eines Verlustes von 84 Millionen ausweisen konnte. Verlustrechnung Diese "Bilanzfälschung" (Fritz Kleiner) ist freilich nur ein Detail in der Gesamtgestion. Tatsächlich, so der Sachverständige, habe die Bank spätestens seit 1995 jährliche Verluste geschrieben. Der Zinsertrag des Howe-Komplexes habe 1992 ein Prozent des gesamten Zinsertrages ausgemacht. Im Jahr 1995 sei er auf vier, 97 auf sieben, 98 auf acht Prozent gestiegen, um 1999 - dem Jahr, in dem die Nationalbank zur Sonderprüfung anrückte - 11,7 Prozent auszumachen. Nur durch die Zinsen der maroden Kredite sei die Bank in die schwarzen Zahlen gerutscht. Buchhalterisch. Kleiner: "Die Zinsen wurden verbucht, aber nicht bezahlt. Die notwendigen Wertberichtigungen nicht vorgenommen." Logik Erstmals erhält diese traurige Geschichte eine gewisse Logik: Die Bank ist um ihre eigene Existenz gelaufen. Ein Zustand, den das Bankwesengesetz mit seiner Beschränkung der Kreditvergabe an "verbundene Unternehmen" verhindern wollte. Was in der Bank Burgenland, wo das aktive Wegschauen und das passive Kontrollieren einander die Waage gehalten haben, nicht - oder jedenfalls unzureichend - zur Kenntnis genommen wurde. 1999 überstieg das Hom-Rusch-Obligo die Eigenmittel der Bank. Man sei, so die Verantwortung aller Beteiligten, einem raffinierten Betrüger aufgesessen. Der Gutachter relativiert. Zwar wären die Bilanzen der Howe AG tatsächlich gefälscht gewesen, hätte man aber die gefälschten Zahlen für bare Münze genommen, dann hätte das zur Kreditverweigerung hinlänglich gereicht: Aus den vorgelegten Kennziffern hätten sich Rückzahlungszeiträume von bis zu 68 Jahren ergeben. Bank Austria involviert Ob das alles strafrechtliche Relevanz hat, wird Richter Wolfgang Reichert beurteilen. Ein Sittenbild ist es allemal. Nicht alleine fürs Burgenland. Die Bank Austria war bis 2000 Miteigentümer, über ihr Tochter Handelsbank direkt in die "Bilanzkosmetik" involviert. Und General Gerhard Randa saß bis 1997 im Aufsichtsrat der burgenländischen Landesbank, der, so der Gutachter, immer wieder systematische Überziehungen der Hom- Rusch-Kredite - zuletzt immerhin 27 Prozent der 2,2 Milliarden Schilling - im Nachhinein "saniert" hat. Bis zum Kollaps im Jahr 2000. (Wolfgang Weisgram, DER STANDARD, Printausgabe 17.5.2002)