Dublin - Das Friedensabkommen vom Karfreitag 1998 knüpfte ein Netzwerk von Behörden und Organen, die gleichermaßen von der Republik Irland wie auch von der neuen Regierung Nordirlands beschickt werden sollten. Wie alles, was damals kühn entworfen wurde, brauchten auch diese grenzüberschreitenden Institutionen lange, um aus dem Planungsstadium herauszukommen. Doch inzwischen wird beispielsweise die Tourismuswerbung gemeinsam gehandhabt, ebenso die Lebensmittelpolizei und die Wartung der Leuchttürme.Bescheiden, gewiss, aber praktisch. Fachminister aus Belfast und Dublin treffen sich ohne großes Aufheben, selbst Nordirlands Chefminister David Trimble stattet Routinebesuche in Dublin ab. Spannungsfrei sind die Beziehungen allerdings nicht. Trimble erregte unlängst eine Mischung aus Erstaunen und Empörung, als er die Republik als "jämmerlichen, kleinen Konfessionsstaat" beschimpfte. Das, so wurde ihm - bemerkenswert höflich - entgegengehalten, möge vor 30 Jahren gegolten haben, aber inzwischen sei die Republik schon beinahe multikulti, während der Norden unverwandt auf seinen wenig appetitlichen Nabel starre. Was noch vor zehn Jahren als utopisch galt, ist inzwischen eingetroffen: Die Kooperation zwischen den beiden Inselteilen gereicht angesichts des irischen Wirtschaftswunders vor allem dem Norden zum Vorteil. Die nordirische Wirtschaft hängt weiterhin hemmungslos am Tropf des britischen Fiskus, produktive Arbeitsplätze haben Seltenheitswert. So bleibt das wirtschaftliche Interesse der Republik gedämpft, und politisch besteht Ansteckungsgefahr: Mit wachsender Beunruhigung haben Irlands Politiker dem Siegeszug der Sinn-Féin-Partei im Norden zugeschaut, der inzwischen größten katholischen Partei. Jetzt, wo Sinn Féin begehrliche Blicke auf Sitze im irischen Parlament geworfen hat, schließen sich die Reihen. Alle etablierten Parteien lehnen eine Koalition mit Sinn Féin rundweg ab, solange die IRA existiert. Die Doppelbödigkeit ist klar: Die nordirischen Protestanten wurden zur Koalition mit Sinn Féin gedrängt, aber selbst will man nichts mit den Schmuddelkindern aus dem Norden zu tun haben. Doch die Entfremdung der irischen Unterschichten vom politischen Prozess wird Sinn Féin unweigerlich Zugewinne bescheren, und allzu lange können die verschlafenen Parteien im Süden nicht mit zweierlei Maß messen. (mal, Der STANDARD, Print-Ausgabe 16.5.2002)