Wien – Der erste direkte Nachweis von Gladiatoren-Kämpfen in der antiken Metropole Ephesos in der heutigen Türkei ist Wiener Anthropologen bei Untersuchungen von Skelettfunden gelungen. Sie konnten an den Knochen eindeutige Trainings- und Verletzungsspuren ablesen. Karl Großschmidt und Fabian Kanz vom Institut für Histologie der Universität Wien präsentieren ihre Forschungsergebnisse in einer vor wenigen Tagen eröffneten Ausstellung im Ephesos-Museum in Selcuk (Türkei).

Reliefs mit Gladiatoren-Darstellungen

1993 entdeckten Archäologen in den Ruinen von Ephesos mehrere Reliefs mit Gladiatoren-Darstellungen. Bei weiteren Grabungen an dieser Stelle kamen die Skelette von rund 120 Menschen zum Vorschein. Zahlreiche davon wiesen eindeutige Trainings- und Kampfspuren auf. "Es sei dies der erste direkte Nachweis von Gladiatoren-Kämpfen in Ephesos, die bisher nur aus der Literatur bekannt waren", erklärten die Forscher.

Auf Grund der großen Zahl an bestatteten Menschen und den entdeckten Reliefs gehen die Wissenschafter davon aus, dass es sich bei dem Fund um einen Gladiatoren-Friedhof handelt. Dieser liegt an einer prominenten Stelle in Ephesos direkt neben einem Stadion am Prozessionsweg zwischen dem Tempel der Artemis und der Stadt. Das deutet nach Ansicht der Wissenschafter auf die hohe gesellschaftliche Bedeutung hin, die die römischen Kämpfer hatten.

Erster Gladiatoren-Kampf der Literatur zufolge 69 vor Christus

Der erste Gladiatoren-Kampf in Ephesos wurde der Literatur zufolge 69 vor Christus unter dem römischen Feldherrn Lucullus veranstaltet, der Friedhof stammt aus dem zweiten bis dritten Jahrhundert nach Christus.

An den Knochen der Kämpfer haben die Wissenschafter mit Hilfe anthropologisch-medizinischer Analysemethoden die zahlreichen Hinweise auf das Training und die Kämpfe gefunden. So waren die Oberarmknochen von Schwertkämpfern durch das intensive Training in typischer Weise verändert, an Schlüsselbeinen waren die "Abdrücke" der Lederriemen, mit denen Schilde getragen wurden, deutlich zu erkennen.

Dreizack

Spektakulär sind die dokumentierten Verletzungen: An einem Schädelknochen wurden Löcher gefunden, die eindeutig von einem Dreizack stammen. Bei ihren Recherchen in den Depots des Ephesos-Museums in Selcuk fanden die Forscher dann eine solche Waffe, die von den Archäologen bereits früher im ehemaligen Hafenbecken der Stadt entdeckt wurde. Die Spitzen dieses Dreizacks passen exakt mit den Verletzungsspuren überein. An einem Oberschenkelknochen ist deutlich die Verletzung durch einen Vierzack zu sehen. "Bisher kannte man einen Vierzack nur aus einer römischen Reliefdarstellung, dachte aber, dass es sich dabei um ein kultisches Instrument handelte. Nun wissen wir, dass es eine Gladiatorenwaffe war", betonen Großschmidt und Kanz.

Hinrichtungsarten für unterlegene Gladiatoren

Die Wissenschafter konnten an den Knochen eindeutig auch die beiden aus Literatur bzw. Abbildungen bekannten Hinrichtungsarten für unterlegene Gladiatoren nachweisen: Eine davon war ein Schwertstich in den Rücken, dessen Spuren an Schulterblättern noch heute zu sehen sind. Bei der anderen Todesart kniete sich der unterlegene Kämpfer vor dem Sieger hin, der ihn mit einem Stich in den Hals tötete. Auch diese tödliche Verletzung konnten die Forscher an der Halswirbelsäule mehrerer Skelette nachweisen.

Exzellente medizinische Versorgung

Die Knochen verrieten den Wissenschaftern aber auch viel über die exzellente medizinische Versorgung der Gladiatoren. "Wir fanden Knochenbrüche, die so hervorragend verheilt waren, dass sie nur mit hochauflösendem digitalem Röntgen zu erkennen waren", sagten die Anthropologen.

Ernährungsstatus

Aus der Literatur weiß man auch, dass die Kämpfer sehr gut genährt waren und eine spezielle Diät erhielten. Sie sollten damit, vermuten die Forscher, viel Fett unter der Haut ansetzen, damit bei Schnittverletzungen nicht sofort die Muskeln betroffen waren. Auch diesen Ernährungsstatus wollen die Anthropologen nun mit Hilfe von Spurenelementanalysen an den Knochen nachweisen.

Großschmidt und Kanz haben schon 1998 mit ihrer Schau über altägyptischer Mumien im Kunsthistorischen Museum Wien für Aufmerksamkeit gesorgt. Bei ihrer neuen Ausstellung geben sie mit 3D-Rekonstruktionen, Schautafeln, Videofilmen von Gladiatorenkämpfen, die von Experimental-Archäologen nachgestellt wurden, und rekonstruierten Waffen einen Eindruck von der Lebensweise der Gladiatoren, der Ausbildung, den Kämpfen sowie ihrer gesellschaftlichen und politischen Bedeutung.

Einzelschicksale

"Anhand der von uns dargestellten Einzelschicksale soll der Besucher vermittelt bekommen, was es bedeutet hat, Gladiator zu sein", sagen die Wissenschafter. Die Schau, die nach Angaben der Forscher bereits von Besuchern gestürmt wird, soll bis zum Frühjahr 2003 in Selcuk zu sehen sein, eine Folgeausstellung in Österreich ist geplant. (APA)