Den Haag - Die niederländischen Medien haben am Donnerstag überwiegend den deutlichen Sieg der Christdemokraten (CDA) bei den Parlamentswahlen am Mittwoch gewürdigt. Zugleich wird der Erfolg für die Partei des ermordeten Rechtspopulisten Pim Fortuyn (LPF) im ersten Anlauf um eine Vertretung im Parlament hervorgehoben. "Die Wähler geben der CDA den Schlüssel" (für Koalitionsgespräche), titelt die christliche "Trouw". Die Niederlage der Regierung von Wim Kok stellt nach Ansicht des Blatts "eine Schlappe von nie erlebtem Ausmaß für die Koalition" dar. "Der Bürger sehnt sich nach Veränderung", meint die sozialdemokratisch orientierte "Volkskrant" in einer Analyse auf der Titelseite. Die Anhänger der CDA seien durch den großen Sieg überwältigt. "CDA zurück im Zentrum der Macht", analysiert das unabhängige "Algemeen Dagblad". Die Situation bei den Sozialdemokraten nach den herben Verlusten skizziert das Blatt mit den Worten: "Führung der PvdA im Schock". "De Telegraaf" umschreibt das Ausmaß der Niederlage für die Regierungskoalition von Sozialdemokraten und Liberalen als "Blutbad". "Der Wähler hat mit Ad Melkert abgerechnet", kommentiert das Blatt die Verluste der Sozialdemokraten unter dem neuen Spitzenkandidaten, dem einst designierten Nachfolger für den scheidenden Ministerpräsidenten Wim Kok. "Geist Fortuyns wird umgehen müssen" Das Wahlergebnis der Liste des ermordeten Pim Fortuyn bei den Parlamentswahlen in den benachbarten Niederlanden beschäftigt am Donnerstag auch die belgischen Zeitungen in hohem Maße. Andere westeuropäische Zeitungen fürchten um die liberalen Niederlande und konstatieren eine "Umfärbung" der EU von rot auf schwarz. "Le Soir" (Brüssel): Fortyn-Liste unvermeidlich in Regierung "Das dröhnende Auftauchen dieses Unruhestifters im politischen Leben und sein tragisches Verschwinden werden das Land vier Jahre lang prägen. Denn die Liste Pim Fortyun entpuppt sich als zweite politische Kraft im batavischen Königreich und wird damit bei der Bildung einer neuen Koalition schwer zu übergehen sein." Die belgische Boulevardzeitung "Het Laatste Nieuws" schreibt: "In jedem Fall wird der Geist des toten Fortuyn in einem Regierungsvertrag umgehen müssen. Mehr Sicherheit, kürzere Wartezeiten im Gesundheitswesen, bessere Schulen und eine andere Ausländerpolitik. Was nicht heißen soll, dass alles so kommen muss, wie Fortuyn es aufgeschrieben hat. Er war nicht Gott, und seine Bücher waren keine Bibeln." "The Guardian" (linksliberal, London) fürchtet um "liberales Herzstück Europas": "Wenn jetzt auch noch der Mitte-Links-Kanzler Gerhard Schröder im September in Deutschland abgewählt wird und die bereits angeschlagenen französischen Sozialisten im Juni verlieren, wird die Mehrheit der 15 EU-Regierungen rechts sein. Und viele werden sich dabei auf kleinere Parteien stützen, die sehr weit rechts stehen. Viele europäische Spitzenpolitiker glauben inzwischen, dass die Lektion des Aufstiegs von Pim Fortuyn, Jörg Haider in Österreich und Jean-Marie Le Pen in Frankreich ist, dass das Thema Einwanderung der wichtigste Konfliktstoff für die Auseinandersetzung zwischen Rechts und Links werden wird." Die konservative britische "The Times" bricht eine Lanze für den scheidenden Premier Kok: "In den Niederlanden wird sich (Ministerpräsident) Wim Kok ohne Zweifel äußerst ungerecht behandelt fühlen, denn seine Regierung kann eine ziemlich gute Bilanz auf den wichtigsten Feldern vorweisen. In acht Jahren hat sie für ein starkes Wirtschaftswachstum und eine niedrige Arbeitslosigkeit gesorgt. Der neue Faktor ist das Thema Einwanderung. Die Bereitschaft der Wähler zu glauben, dass dieser eine Faktor für alle möglichen sozialen Probleme verantwortlich ist, muss Politikern aller großen Volksparteien Sorgen machen." Die französische Zeitung "L'Est Republicain" (Nancy) schreibt: "Nach der Parlamentswahl in den Niederlanden ist eine Sache klar: Europa wechselt die Farbe, von rot zu schwarz. Dafür gibt es mehrere Gründe: die Ablehnung der Regierenden, ihre Verschlissenheit durch eine generelle Unzufriedenheit, das Aufkommen des Populismus und das Misstrauen gegenüber einem Europa, das nicht als Chance, sondern eher als permanente nationale Entwurzelung erfahren wird, die für alles Übel verantwortlich gemacht wird. Wenn Demagogen wie Le Pen in Frankreich, Haider in Österreich, Fini in Italien oder Pim Fortuyn in den Niederlanden diese Gefühle ausnutzen, dann ist die Demokratie im Kern getroffen." "El Mundo" (Madrid) sieht "unabsehbare Folgen" für die niederländische Demokratie: "Der Mord an Pim Fortuyn und der Ausgang der Wahl können unabsehbare Folgen für die demokratische Zukunft der Niederlande haben. Die Christdemokraten stehen als Wahlsieger vor einer Aufgabe, die alles andere als verlockend ist. Sie werden mit den Überresten der erst vor drei Monaten von Fortuyn gegründeten Partei regieren müssen. Wenn diese improvisierte Partei weiter so rasch zerfällt, wie sie dies nach der Ermordung ihres Gründers getan hat, könnten bereits in sechs Monaten neue Wahlen fällig werden." (APA/dpa)