Österreich
Koalition mit Fortuyn-Erben birgt politische Risiken
Die Christdemokraten rüsten sich für ihre politische Führungsrolle - Eine Analyse von Klaus Bachmann
Den Haag - 59 von 150 Abgeordneten, die
die Wähler am Mittwoch ins
neue niederländische Parlament geschickt haben, sind
Neulinge. Die meisten davon
werden auf der Liste Fortuyn
und auf der Liste der Christdemokraten einziehen. Die
personelle Erneuerung, die in
acht Jahren des Sozialdemokraten Wim Kok blockiert war,
sie findet nun auf einen
Schlag statt. Für Jan Peter Balkenende ist
der Erdrutschsieg der Christdemokraten, die 43 statt bisher 29 Sitze einnehmen, eine
totale Überraschung. Der brave protestantische Parteiarbeiter verdanke einen guten Teil
seines Zugewinns seinem
Gegner, Premier Wim Kok,
behaupteten am Donnerstag
Vertreter der Meinungsforschungsinstitute, von denen
kein einziges einen solchen
Erfolg prognostiziert hatte.
Tatsächlich bleibt die Liste
Fortuyn hinter den Prognosen
der Demoskopen zurück - offenbar haben viele potenzielle
Fortuyn-Wähler in letzter Minute gezögert, auf den Computerschirmen der Wahlbüros
den Fortuyn-Knopf zu drücken und stattdessen die vertrauteren, berechenbareren
Christdemokraten gewählt.
Balkenende ist jung und
scheint unerfahren, doch von
der feuchtfröhlichen Begeisterung seiner Anhänger, die bis
in den Morgen in einer Haager
Brasserie belgisches Bier in
Strömen fließen lassen, lässt
er sich nicht mitreißen.
Furcht vor Instabilität
Ja, sagt er immer wieder in
die Kameras, eine Koalition
mit den Rechtsliberalen und
der Fortuyn-Liste entspreche
dem Wählerwillen, "doch da
sind auch Risiken". Die Furcht
vor Instabilität malte er schon
vor dem Urnengang an die
Wand, nun kommt er auch am
Wahlabend darauf zurück.
Am Donnerstag führt er
noch eine ganze Reihe von
Meinungsunterschieden mit
den Fortuyn-Erben an: über
die Bedeutung der Immigration für die Niederlande, die
Ansichten über den Islam.
"Für uns ist die Frage, wie vertrauenswürdig diese Liste ist,
wenn wir uns entschließen,
eine gemeinsame Regierung
zu bilden."
Zu dieser Zeit berieten die
Fortuyn-Leute gerade über eine neue Parteiführung. Tagelange Streitereien sind vorausgegangen, Peter Lan_gendam, ein Selfmademan
und IT-Unternehmer, tritt
nach heftig kritisierten Äußerungen über eine Mitschuld
der Linken und der Medien
am Mord an Fortuyn zurück.
Wie um Balkenendes Worte
über die Fortuyn-Liste als eine
unverlässliche "Black Box" zu
bestätigen, beteiligt sich die
Liste nicht an der TV-Debatte
der Spitzenkandidaten nach
der Wahl.
Und wie um Balkenendes
Vorwürfe zu bestätigen, hat
der Pressesprecher der Liste
Fortuyn, Mat Herben, vor handverlesenen Gästen in einem
Haager Spitzenhotel eine lange, langweilige Rede gehalten.
Er spricht hinter einem Pult
auf einer Hoteltreppe, an deren Fuß ein kitschiges Fortuyn-Porträt in Öl lehnt, das
den Parteigründer mit zwei
Hunden im Arm zeigt. Der
einzige politische Aspekt der
Rede ist eine Absage an die liberale Drogenpolitik der Kok-
Regierungen und ein Plädoyer
für Law and Order. Noch am Donnerstag wurde der ehemalige Fortuyn-Sprecher zum neuen Vorsitzenden gewählt(Der STANDARD, Print-Ausgabe 17.5.2002, red, APA)