Wien - Trotz sommerlicher Temperaturen sind in der Koalition frostige Töne zu hören. Doch die ÖVP wiegelt ab: "Die Befindlichkeit des Klubobmannes ist nicht auf die Gesamt-FPÖ zu übertragen", sagt ÖVP- Generalsekretärin Maria Rauch- Kallat im Standard-Gespräch. Der demonstrativ zur Schau getragene ÖVP-Frust Peter Westenthalers hat Spekulationen über vorgezogene Wahlen ausgelöst. "Würde ich mit seinen Worten antworten, würde ich von einer schlechten Mondphase sprechen" lästert Rauch-Kallat in Richtung FP-Klubobmann. "Vielleicht erholt er sich über Pfingsten, schließlich kommt da ja auch der Heilige Geist." Und wenn doch früher gewählt wird? "Wir sind gut vorbereitet, die inhaltliche Schiene ist unter Dach und Fach", sagt die Generalsekretärin. Bundeskanzler Wolfgang Schüssel lässt dazu nur einen Satz verlauten: "Die nächste Nationalratswahl findet Ende September 2003 statt." Ein hörbar verärgerter Westenthaler reagiert indes scharf auf Rauch-Kallat: "Die Dame, deren Name mir nicht mehr einfällt, kommentiere ich nicht, denn wenn man nicht denkt und dann schon spricht, ohne das Gehirn einzuschalten, dann kommen solche Sätze raus." Sie sei aber "nicht so wichtig, dass man mit ihr reden muss. Die FPÖ sei zwar "immer bereit für Wahlen, aber wir werden erst im Herbst 2003 wählen", so Westenthaler: "Die ÖVP soll von der Bremse heruntersteigen, auf der sie sich zurzeit mit beiden Füßen befindet, und uns reformieren lassen." Fast so etwas wie Verständnis zeigt indessen VP-Gesundheitssprecher Erwin Rasinger für die FPÖ: Als Zweiter in der Regierung versuche man "kantig" zu sein, doch das komme einer "Gratwanderung auf der Rasierklinge" gleich. Denn "der Bürger will keinen Streit". Ob es mit der SPÖ leichter gewesen sei? "Unentschieden", antwortet Rasinger nach einer Nachdenkpause. FP-Sozialsprecher Reinhart Gaugg hingegen wagt einen verbalen Flirt mit der SPÖ, indem er offen auf "Alternativen zur ÖVP" hinweist. Im Gesundheits- oder Sozialbereich könnten "einige Reformen vielleicht leichter mit der SPÖ gemacht werden". Die großen Projekte wie Kindergeld oder Abfertigung neu seien alle FPÖ-Ideen gewesen, "auf die die ÖVP aufspringt und als ihre verkauft", kritisiert Gaugg. Die ÖVP wiederum glaubt im FP- Parteitag am 9. Juni den Grund für die Profilierungswut ihres Partners gefunden zu haben. Susanne Riess- Passer soll dort als Parteichefin bestätigt werden. Um die Funktionäre zu mobilisieren, sei dort nicht nur staatstragendes Auftreten gefragt, mutmaßt die ÖVP. Und genau eshalb habe Westenthaler derzeit "Narrenfreiheit". (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 18./19./20.5.2002)