Offenherzig für eine Jephtha-Aufführung des bekanntermaßen korrekten, gewissenshehren Helmut Rilling, der sich ja nicht nicht nur als einer der fleißigsten und kundigsten Bach-Interpreten, sondern auch als Händel-Promotor erster philologischer Herzensgüte einen Namen gemacht hat. Sensibel und - wie man sich überzeugen konnte - auch entzündet sind die Gäste aber auch für Marc Minkowskis flammende, sehende Deutung, besser: Übersetzung der alten, zeitlosen Orphée et Eurydice-Geschichte, so wie sie Gluck in opernrevolutionärer Anwandlung musikalisch nacherzählt hat.
Tragischer Gehalt
Alte Festspielproduktionen aus diskografischer, aber auch aus der multiplen Sicht des Dabeigewesenseins im Ohr, wirkt eine - zwar konzertante - Aufführung wie diese mit den fabelhaften, auch vokal verpflichteten Musiciens du Louvre/Grenoble wie eine Ehrenrettung des an sich ja tragischen, verflucht schmerzlichen Gehalts.
Denn mit Sängerdarstellern wie Richard Croft, Mireille Delunsch und Marian Harousseau werden jene Ausdrucksextreme ausgehorcht (und ausgelitten), die in den Zeiten der postromantischen Aufführungspraxis allenfalls auf den alten Papieren standen. Pfingsten + Barock bot in diesem Jahr eine im Opernbereich lehrreiche Übersicht über die Ziele und Möglichkeiten der ernsten, tragischen Lustbarkeit - mit Händels Radamisto unter der Leitung von Martin Haselböck als gelungenem weltlichen Kunstgegenüber zur erwähnten Jephtha-Zeremonie im imaginären Sakralraum.
Sonderbarerweise wurde diese Koproduktion mit dem Konzerthaus Dortmund zeitlich so angesetzt, dass man ein wonniglich intelligentes, instrumental fulminantes Konzert mit den Berliner Barocksolisten nur unter Verzicht auf manches aus der Bach-Familie (Johann Bernhard, Johann Sebastian) vernehmen konnte - oder man hätte den Händel-Schauplatz Felsenreitschule etwa bei Nummer 22 - textlich durchaus passend - verlassen müssen ("Zwischen meinem Bruder und meinem Gemahl, wie entscheid ich mich?").
Die Pfingstzukunft
Das Programm für die kommenden Pfingsten (6. bis 9. Juni 2003) kündigt der Veranstalter als "Fest für Schatzsucher und als Fest der Stimmen" an. Zu Recht, wenn man sich die Einzelheiten auf der vorausschmeckenden Zunge zergehen lässt. David Daniels und Andreas Scholl aus der künstelnd hoheitlichen Zunft der Countertenöre kommen in ganz speziell programmierten Konzerten zum kantablen Zuge, dazu die britischen Tallis Scholars mit protestantischer Kirchenmusik.