Nachdem Ariel Sharon den Orthodoxen eine Lektion erteilt und sein Sparprogramm im zweiten Anlauf souverän durchgesetzt hatte, schien Israels Premier gestern nicht gewillt, der reumütigen Shas-Partei zu vergeben und damit seine Koalition in der bisherigen Form wieder zu stabilisieren. Kurz nach Mitternacht in der Nacht auf Donnerstag sollte die Frist ablaufen, nach der die Entlassungen der Shas-Minister rechtskräftig würden und Sharon mit nur 60 der 120 Mandate ohne Parlamentsmehrheit dastünde. Doch im Bewusstsein, dass einer Umfrage zufolge 70 Prozent der Israelis seinem Umgang mit der Krise Beifall zollen, kann sich der Premier zurücklehnen - er wollte offenbar nach verschiedenen Richtungen Koalitionsfühler ausstrecken, die Kandidaten gegeneinander ausspielen und Bedingungen diktieren. Als wahrscheinlichste neue Partnerin galt die militant antireligiöse Shinui-Partei. Montagabend hatten Sharon noch vier Stimmen gefehlt, doch in einem beschleunigten Verfahren führte er am Mittwoch eine abermalige Abstimmung herbei. "Der Krieg, der uns aufgezwungen wurde, hat der Wirtschaft schweren Schaden zugefügt", plädierte Finanzminister Silwan Shalom noch einmal für die geplanten Haushaltskürzungen, "die Rede ist nicht nur von zusätzlichen Milliardenausgaben für die Sicherheit, sondern auch von einem großen Verlust bei den Steuereinnahmen, wodurch das Budgetdefizit gewachsen ist." Doch diesmal konnte es keine Überraschungen geben: Die Abgeordneten des Likud und der Arbeiterpartei waren zu absoluter Fraktionsdisziplin vergattert worden, auch Shinui wollte trotz Vorbehalten gegen das Wirtschaftskonzept als "Geste" Sharon unterstützen. Das Ergebnis von 65 gegen 26 Stimmen kehrte die Blamage in einen Triumph um. Am Ende hatte sogar Shas selbst einen Rückzieher gemacht und ihre Mandatare angewiesen, der Abstimmung fern zu bleiben und nicht gegen das Programm zu stimmen, das sie als "unsozial" ablehnen. Doch dieser Versuch, bei Sharon wieder Gnade zu finden, schien zunächst seine Wirkung zu verfehlen. Zuvor hatte Sharon seine Mitarbeiter angewiesen, nicht einmal Telefonate von Shas-Politikern entgegenzunehmen.