Wien - Einfach nur blödeln wäre zu wenig. Und nur besoffen sein erst recht. "Wir achten darauf, dass ein gewisses Niveau gehalten wird", sagt Valentin Eder. Und er meint das ernst. Denn auch wenn der 40-jährige Wiener, der im Zivilleben bei Siemens Soft_ware_lösungen ausheckt, sich derzeit alle paar Wochen in seltsamen Kaschemmen vor Lachen am Boden kringelt: Ein reines Affentheater ist Luftgitarrespielen nicht. Nicht nur. Betont jedenfalls Eder. Eder muss es wissen. Schließlich ist er - gemeinsam mit seinem 32-jährigen Freund Michael Klemsch - sozusagen Österreichs Olympiakomitee in Sachen Gitarrespielen ohne Gitarre: Was im Herbst als Spaß einer Runde finnophiler Wiener begann, hat mittlerweile "eine unglaubliche Eigendynamik bekommen: Mitte April waren in Linz 500 Zuseher da." Und johlten begeistert, als der oberösterreichische Meister im Spiel auf fehlenden Instrumenten gekürt wurde. Schuld ist der Norden - und die Univorlieben der Finnen: In den 80er-Jahren war Österreich ein beliebtes Land bei finnischen Studenten. Viele - etwa Eders Frau - blieben, brachen die Brücken nach Finnland aber nicht ab. Filmemacher wie Akis Kaurismäki und Popgruppen wie die Leningrad Cowboys taten das ihre dazu, das Interesse an finnischer Popkultur zu steigern - und die Liebe zu Suomi- Marotten zu wecken. Weltmeisterschaften in "Weibertragen", "Gummistiefelweitwerfen" oder "Zeitungsaustragen" gehören da ebenso dazu wie Eders derzeitige Mission - eben die Luftgitarre: Im August findet - mittlerweile zum sechsten Mal - in der Stadt Oulu die WM statt. Wirkung sucht Ursache Erfunden haben die Finnen das gitarrenlose Playbackzupfen nicht. Jeder Besucher eines Rockkonzertes kennt den Anblick von Fans, die beim "Würgen" den Akteuren auf der Bühne um nichts nachstehen. Und die die Kausalkette von Ursache (Gitarrespiel) und Wirkung (Musik) umzudrehen versuchen. Inklusive Schweiß, fliegender Mähnen und leidender Mienen. Bloß: Eine WM gibt es halt nur in Finnland. "Wir haben schon gewusst, dass es da mehr Interessenten geben könnte als unseren kleinen Kreis", weiß Eder. Dass aber sogar deutsche Fernsehsender anreisen würden, hätte er nicht geglaubt: Nachdem der Standard Ende Jänner im wahrsten Sinne des Wortes über eine der ersten Wiener Vorausscheidungen in einem Gürtellokal gestolpert war, brach eine kleine Lawine los. "Am Anfang haben wir die Kandidaten nach dem zweiten Bier direkt vor Ort rekrutiert, mittlerweile kommen sie kostümiert, mit einstudierten Posen und Schritten. Viele wissen sogar, dass man nicht nur Hardrock auf der Luftgitarre spielen kann." Welche zwei Nichtgitarreros Ende August für Österreich starten werden, steht noch nicht ganz fest: Zwei Bundesländer (Steiermark und Wien) klären erst Anfang Juni, wer dann Mitte Juni in Salzburg auf die Finalbühne darf. Für nächstes Jahr, erzählt Eder stolz, hätten deutsche und ungarische Veranstalter angefragt, ob er bereit sei, sein Know-How für die Organisation der Länderwettbewerbe im tonlosen Stromgitarrenspiel zur Verfügung zu stellen. Die Schweizer Ausscheidungen hat er schon heuer übernommen. "Nebenbei. Wir haben da gute Kontakte." (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 22.05.2002)