Ernst machen wollen die Regierungschef der EU nun offenkundig mit der gemeinsamen Asylpolitik. Der britische Premierminister Tony Blair hat vorgeschlagen, dass Hilfen für die Entwicklungsländer künftig davon abhängig gemacht werden, ob die betreffenden Staaten bei der Begrenzung der Zahl der Asylsuchenden mit der EU kooperieren. Laut einem Bericht der Financial Times soll die spanische EU-Ratspräsidentschaft dem britischen Premierminister zugesagt haben, seinen Vorschlag auf die Tagesordnung beim EU-Gipfel im Juni in Sevilla als Topthema zu setzen.

"Es müssen mehr Ordnung und mehr Regeln in das System gebracht werden, nach dem Menschen nach Europa kommen", erklärte Blair nach einem Treffen mit seinem spanischen Amtskollegen José María Aznar. Er schlägt vor, Entwicklungshilfe für einzelne Staaten von ihrer Bereitschaft abhängig zu machen, abgewiesene Asylanten und Wirtschaftsmigranten zurückzunehmen.

Blair hat mit seinem Vorschlag Pläne aufgegriffen, die seit einigen Jahren in der EU gewälzt werden. So sorgte bereits 1998 ein "Strategiepapier zur Asyl- und Einwanderungspolitik" für Aufregung in einigen EU-Ländern. Darin wird hinsichtlich der Beziehungen mit den Herkunfts-und Transitländern eine Politik von "Zuckerbrot und Peitsche" vorgeschlagen.

Das Ziel eines "gemeinsamen europäischen Asylsystems" haben die Staats- und Regierungschefs 1999 bei ihrem Treffen im finnischen Tampere bekräftigt. Einzelne Elemente des künftigen Rechtsrahmens existieren im Entwurf, manche gelten bereits. So ist eine Datenbank mit den Fingerabdrücken aller Asylwerber in der EU im Aufbau. Dieses Eurodac-System soll sicherstellen, dass die Antragsteller nicht in mehreren EU-Staaten ihre Ansuchen vorlegen. Die Funktionsweise von Eurodac beruht darauf, dass von jedem Asylwerber möglichst bereits bei der Einreise in das Gebiet der EU die Abdrücke aller zehn Finger abgenommen, digitalisiert und an die zentrale Eurodac-Datenbank übermittelt werden, die diese mit den bereits gespeicherten Datensätzen abgleicht. Sogleich wird die datenübermittelnde Stelle darüber informiert, ob der Besitzer dieser Fingerprints bei Eurodac bereits anderswo oder unter einem anderen Namen Asyl beantragt hat, um gegebenenfalls umgehend Maßnahmen z.B. Zurückschiebung einleiten zu können.

"Eurodac" ist ein wichtiges Instrument, um das Dubliner Übereinkommen von 1990 in die Praxis umzusetzen. In diesem Vertrag, der seit 1998 EU-weit gilt, ist geregelt, welcher Staat für die Prüfung eines Asylantrags zuständig ist: mindestens einer, und zwar der, in dem der Asylbewerber zum ersten Mal EU-Territorium betreten hat. (DER STANDARD, Print- Ausgabe, 22.5.2002)