Streit in Italiens regierendem Mitte-rechts-Bündnis: Lega Nord und Alleanza Nazionale (AN) wollten ein neues Einwanderungsgesetz unbedingt noch vor den Kommunalwahlen vom kommenden Sonntag verabschieden; es hätte das Thema im Wahlkampf werden und der Regierung den Wahlerfolg sichern sollen. Mit der Kirchenführung im Rücken verhinderten aber die Christdemokraten erfolgreich die neue Regelung.Für sie ist das Einwanderungsgesetz unmenschlich und zu restriktiv: Der Vorschlag, den Lega-Chef Umberto Bossi und AN-Führer Gianfranco Fini gemeinsam eingebracht haben, sieht schnelle Abschiebungen und Fingerprints für alle Einwanderer vor; zudem sollen Einreisevisa nur mehr an jene erteilt werden, die eine Arbeitsgenehmigung in Italien vorweisen können. Die Möglichkeit der Familienzusammenführung soll praktisch abgeschafft werden, wer zweimal illegal aufgegriffen wird, soll für bis zu vier Jahre ins Gefängnis. Die Christdemokraten dagegen wollen den Status der auf mehrere Hunderttausend geschätzten illegal in Italien lebenden Ausländer verbessern: Alle Einwanderer, die einer geregelten Arbeit nachgehen, sollten die Möglichkeit erhalten, ihre Anwesenheit zu legalisieren. Auch die Wirtschaft stellte sich hinter diese Kirchenforderung. Politische Katholiken Die Kirche, die viel zum Wahlsieg der Mitte-rechts-Regierung beigetragen hat, greift überhaupt immer öfter über ihre christdemokratischen "Statthalter" in der Berlusconi-Regierung in die politische Diskussion ein. Zur Eröffnung der Bischofskonferenz gab es zwar Lob für die neue Familienpolitik - viele Sozialmaßnahmen sollen künftig nur mehr den "echten Familien" zuerkannt werden - und für die neue Aufwertung der katholischen Privatschulen. Nicht zufrieden sind die Bischöfe mit der Umsetzung der von Berlusconi versprochenen Wirtschaftsreformen: Die Kirche fordert mehr Augenmaß, die Lockerung des Kündigungsschutzes etwa dürfe nicht im Hauruck-Verfahren durchgezogen werden. Die Regierung dürfe die "Solidarität" nicht vergessen, Italien brauche nicht einen neuen Radikalismus, sondern "soziale Eintracht". (DER STANDARD, Print- Ausgabe, 22.5.2002)