Am Abend der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 13. Mai 2000 bat Jamal Karsli Journalisten: "Drücken Sie mir die Daumen, dass es eine rot-grüne Regierung geben wird." Sein Wunsch wurde erhört: Wolfgang Clement (SPD) entschied sich doch nicht für eine Koalition mit der FDP, sondern für eine Fortsetzung des Bündnisses mit den Grünen, wodurch die Plätze der grünen Minister im Landtag für Nachrücker wie Karsli frei wurden. Schon vier Jahre davor war Karsli so in den Landtag gekommen. Dort war er bis vor wenigen Monate ein so genannter Hinterbänkler. Der 1956 im syrischen Manboj geborene Karsli engagierte sich aktiv für die Integration von Ausländern. Er selbst ist Anfang der Achtzigerjahre nach Deutschland gekommen. In Bochum studierte er Bauingenieurwesen, später in Dortmund Raumplanung. Zwischen 1992 und 2000 arbeitete er als selbstständiger Dolmetscher und Übersetzer. 1993 trat Karsli in Recklinghausen den Grünen bei und war Vertreter der Partei im Ausländerbeirat. Der dreifache Familienvater war landesweit als Ansprechpartner für Probleme bei Einbürgerungen bekannt. Nur beim Thema Israel, so berichten Grüne, sah er Rot. Johannes Remmel, parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen, spricht von einer "merklichen Entfremdung" zwischen Karsli und den übrigen Fraktionsmitgliedern während der vergangenen 18 Monate. Nur eine gewisse Zeit habe man mäßigend auf ihn einwirken können. Gegen die Empfehlung seiner Fraktion unternahm er vergangenen Herbst eine weitgehend von Saddam Hussein finanzierte Reise in den Irak. Nach einer im April mit den Worten "Israelische Armee wendet Nazimethoden an!" überschriebenen Pressemitteilung drohten Partei- und Fraktionsvorstand der Grünen mit einem Hinauswurf. Dem Verweis ist Karsli mit einem Wechsel in die FDP-Fraktion zuvorgekommen. Vergangene Woche nahm ihn die FDP auch als Mitglied auf. Sein nunmehriger Fraktions-und Parteichef in Nordrhein-Westfalen, Jürgen Möllemann, hatte eine Rede Karslis auf einer antiisraelischen Demonstration im Februar in Bonn schon auf die Internetseite der deutsch-arabischen Gesellschaft, deren Vorsitzender Möllemann ist, stellen lassen. Damals hat Karsli erklärt: "Warum schreit niemand auf, wenn unsere Politiker vor der israelischen Lobby ständig auf die Knie fallen?" In einem jüngst veröffentlichten Interview mit der rechtsextremistischen Jungen Freiheit polemisierte er gegen eine weltweite "zionistische Lobby". Unwidersprochen blieb bisher Karslis Aussage, er sehe sich in der Nahostpolitik "in völliger Übereinstimmung" mit seinem Landeschef Möllemann. In der FDP hat Karsli schon den Spitznamen Ayatollah. (DER STANDARD, Print- Ausgabe, 22.5.2002)