Paris - Mit der Europa-Reise des amerikanischen Präsidenten befassen sich am Mittwoch zahlreiche Tageszeitungen. "Le Figaro" (Paris): "Beeinflusst durch den Kampf gegen das 'Reich des Bösen' aus der Zeit Ronald Reagans (...) haben die Berater von Bush die 'Achse des Bösen' eingeführt. Diese Formel begeistert die Amerikaner, macht Europa aber ratlos. Deshalb ist es gut, dass George W. Bush aus seiner Umgebung herauskommt und auf ein breiteres Auditorium trifft. Die Europäer müssen seine Kapazitäten zum Zuhören maximal nutzen, so schwach sie auch sein mögen. Vielleicht wird er verstehen, dass es nicht reicht, einen gemeinsamen Feind zu haben, damit die Differenzen sich wie durch ein Wunder auflösen." "Le Monde" (Paris): "In dem knappen Jahr seit seiner ersten Europa-Reise haben sich viele Dinge in der Welt verändert, nicht aber die Beziehungen zwischen den USA und ihren europäischen Verbündeten. Das Bild, das man gegenseitig voneinander hat, ist sogar noch negativer geworden. Im Juni 2001, fünf Monate nach Bushs Amtsantritt, hatten die Europäer eine schlechte Meinung von der US-Regierung und ihrem Chef. Inzwischen, also seit die Amerikaner ihrer Führung überwältigende Zustimmung signalisieren, sind es die USA selbst, die in Europa als arrogant, streitlustig und keiner Kritik zugänglich erscheinen. Auch umgekehrt ist die Tendenz der US-Politiker und der Kommentatoren, was Europa angeht, deutlich negativer als noch vor einem Jahr. Je mehr die Amerikaner seit dem 11. September hinter den Ideen und Haltungen des Bush-Teams stehen, umso misstrauischer sehen sie Europa." "The Financial Times" (London): "Die Beziehung zwischen den USA und Europa ist in der heutigen Welt die wichtigste. Sie ist wirtschaftlich die bedeutsamste und politisch die engste. Es ist unvermeidlich, dass es im wirtschaftlichen Bereich Wettbewerb zwischen den beiden Blöcken gibt. Aber beide müssen in der Frage der Sicherheitspolitik die sich öffnende Lücke schließen. Diese führt zu einem gefährlichen Ungleichgewicht und wechselseitiger Frustration. (...) Die USA sagen, dass sie ein starkes und kein schwaches Europa wollen. Und ein starkes Europa wird sich sehr viel besser verständlich machen können." "The Daily Telegraph" (Lodnon): "Bush beginnt seine Europareise mit der paradoxen Erwartung einer heißen Begrüßung in Deutschland und einem problemlosen Empfang in Russland. Die Schemata des Kalten Krieges oder auch nur der Zeit vor dem 11. September scheinen jetzt verkehrt zu sein. (...) Dieses Paradox zeigt erstens eine Meinungsverschiedenheit zwischen Washington und den europäischen Verbündeten über das weitere Vorgehen im Kampf gegen den weltweiten Terrorismus und zweitens die Tatsache, dass Putin sehr schnell erkannt hat, wie nützlich Russland den Amerikanern nach dem 11. September sein kann. Aber bei aller Begeisterung für einen neuen Freund sollte Amerika seine NATO-Verbündeten nicht vernachlässigen." "Volkskrant" (Amsterdam): "Es ist nicht auszuschließen, dass Bush in Westeuropa nicht nur auf schöne Worte stößt, sondern auch auf Demonstrationen und Kritik. Moskau dürfte diesmal kein Problem darstellen. Putin hat eine Vereinbarung über weitere Abrüstung und über die Kündigung des ABM-Vertrags getroffen, unterstützt den Kampf gegen den Terrorismus und macht den USA Platz in Zentralasien. Man könnte fast meinen, dass Bush in Europa künftig die Russen bevorzugt. Das wäre eine ironische Wendung der Geschichte. Aber auch eine Warnung an die europäischen Bundesgenossen, dass sie aufpassen müssen, im traditionellen Dreieckspiel zwischen Amerika, Westeuropa und Russland nicht ins Abseits zu geraten." "Information" (Kopenhagen) "Vernünftige Debatten über das US-Imperium scheinen in Europa nur schwer möglich zu sein. Oft verfallen die Leute in regelrechten Antiamerikanismus. Worüber könnte Europa die USA belehren? Dieses Europa, in dem mehr und mehr Menschen sich um Leute vom Schlage eines Le Pen scharen. Wo Zuwanderer wie Bürger zweiter Klasse behandelt werden und ein Medienmogul wie Berlusconi die Regierungsmacht erobern kann..." (APA/dpa)