Wien - Im Grunde wurde in der parlamentarischen Debatte über die Steuerreform über Geschwindigkeiten gestritten: Die Grünen forderten die Regierung auf, sich sofort an ihre eigenen Ministerratsbeschlüsse zu halten und eine ökologische Steuerreform in Angriff zu nehmen, wie sie im Ministerrat vom 30. April des heurigen Jahres in einem Konzept einer "Strategie zur nachhaltigen Entwicklung" beschlossen wurde. Selten hat eine Opposition in einem Dringlichen Antrag den Nationalrat aufgefordert, einen Ministerratsbeschluss umzusetzen. Ganz so eilig wollte es die Koalition aber doch nicht angehen.Denn, so Umweltminister Wilhelm Molterer, noch sei die Zeit nicht reif für eine Ökologisierung des Steuersystems. Er nehme aber die Anregung der Opposition zur Kenntnis, meinte Molterer zur grünen Umweltsprecherin Eva Glawischnig: "Sie haben ja ein tiefes Vertrauen in diese Regierung, wenn Sie Aufträge über diese Legislaturperiode hinaus erteilen. Wir werden das erfüllen." Nur eben nicht sofort. Nachhaltigkeit heiße auch, die sozialen und wirtschaftlichen Aspekte im gesamteuropäischen Kontext zu sehen, also werde Österreich nur im Gleichschritt mit der EU "ökologisieren". Zuvor hatte Glawischnig Molterer vorgeworfen, sich unter dem Druck der FPÖ vom eigenen Konzept zu verabschieden. Der ÖVP gehe es nur noch darum, im Wahlkampf gegen die FPÖ zu beweisen, wer die "bessere Steuersenkungspartei" sei. Glawischnig: "Wenn die ÖVP jetzt ihr Konzept aus dem Ministerratsvortrag ablehnt, ist das ein Misstrauensantrag gegen die eigene Regierung." Eine Umschichtung der Besteuerung von Arbeit hin zur Besteuerung des Energieverbrauches sei ein Gebot der Stunde, das in ganz Europa bereits umgesetzt werde. Stattdessen seien den Unternehmern durch die erhöhte Lohnsummensteuer Mehrkosten von 4,4 Milliarden Euro pro Jahr entstanden. "Ich distanziere mich nicht nur nicht", meinte Molterer, "ich bin sehr stolz darauf, dass Österreich als erstes Land der Europäischen Union die Nachhaltigkeit beschlossen hat." Das Konzept beinhalte eine "langfristige Zukunftsstrategie für Österreich". Entscheidend sei der Gesamtüberblick: Neben der Ökologisierung des Steuersystems bedeute Nachhaltigkeit auch einen Stopp beim Schuldenmachen, die Senkung der Steuer-und Abgabequote, die Sicherung des Generationenvertrags bis hin zur Universitätsreform. (kob/DER STANDARD, Print- Ausgabe, 23.5.2002)