EU
EU-Parlamentsausschuss nahm Kompromisstext zu Benes-Dekreten an
Beseitigung von "immer noch diskriminierenden Formulierungen" im tschechischen Recht vor EU-Beitritt Tschechiens gefordert
Brüssel - Der außenpolitische Ausschuss des
Europa-Parlaments hat am Mittwoch über den Erweiterungsbericht zu
Tschechien abgestimmt und dabei zu den Benes-Dekreten einen
Kompromisstext gefunden. In dem Text "erwartet" das EU-Parlament, das
allfällige heute noch im tschechischen Recht wirksame
diskriminierende Formulierungen bis zum EU-Beitritt des Landes
"beseitigt sind".Swoboda kritisiert tschechische Regierung
"Ob noch heute diskriminierende Elemente existieren, das ist eine
rein juristische Frage", erklärte der Leiter der SPÖ-Delegation im
Europäischen Parlament Hannes Swoboda, dazu in einer Aussendung. Er
weigere sich, "in den Chor jener einzustimmen, die den Beitritt der
Tschechischen Republik aufgrund revanchistischer Ressentiments
verhindern wollten. Aber auch die Positionierung mancher
tschechischer Politiker in dieser Frage erleichtere eine Klärung des
Problems auf europäischer Ebene in keinster Weise", sagt Swoboda.
Dies gelte "natürlich auch für die Slowakei". In Anerkennung der
konstruktiven Haltung der slowakischen Regierung in dieser Frage sei
aber für dieses Land kein vergleichbarer Beschluss gefasst worden.
Raschhofer hält Ergebnis für "faulen Kompromiss
Für die FPÖ-Delegationsleiterin Daniela Raschhofer ist hingegen
"das heutige Abstimmungsergebnis zu den Benes-Dekreten ein fauler
Kompromiss." Denn aus dem Kompromisstext sei im letzten Moment "jene
entscheidende Passage gestrichen, die auf die rechtliche Problematik
rund um das tschechische Straffreistellungsgesetz von 1946 hinweist".
Dadurch sei der Bericht zur Benes-Frage "ohne jegliche Substanz". Der
Bericht wende sich damit gegen das Bekenntnis zur Rechtsstaatlichkeit
und gegen die Achtung der Menschenrechte, so Raschhofer in einer
Aussendung.
Stenzel hätte sich "klarere Formulierungen" gewünscht
Die ÖVP-Delegationsleiterin Ursula Stenzel unterstützt den
Kompromisstext "im Prinzip". Der Kompromiss sei die einzige
Möglichkeit gewesen, "dass das Europaparlament auf Grund des
Widerstandes der Sozialdemokraten dazu überhaupt Stellung nimmt",
heißt es einer Aussendung Stenzels von heute Mittwoch. Die
Vorsitzende des gemischt-parlamentarischen Ausschusses EU-Tschechien
"hätte sich jedoch deutlichere und klarere Formulierungen gewünscht".
Insbesondere hätte verlangt werden sollen, dass das Prinzip der
Nichtdiskriminierung beachtet werden muss. In der Realität entfalten
diese Dekrete aber noch heute diskriminierende Wirkung", betonte
Stenzel. "Es ist daher nicht richtig, diese Frage als 'rein
juristisch' herunterzuspielen, wie dies Swoboda macht." Stenzel
bedauert auch, dass der selbe Passus "auf Grund des Widerstands der
SPE-Fraktion" nicht in den Bericht über die Slowakei Eingang gefunden
habe. "Das könnte von Prag als Signal der Schwäche interpretiert
werden", meint Stenzel.
Passage des Beschlusses im Wortlaug
Die Passage zu den Benes-Dekreten lautet nach der Abstimmung im
Außenpolitischen Ausschuss wie folgt. Sie kann in der Plenarsitzung
im Juni aber noch abgeändert werden: (Das EU-Parlament) "Nimmt die
Erklärung des tschechischen Parlamentes vom 24. April 2002 und die
der Regierung zur Kenntnis, dass auf der Grundlage der
Präsidentendekrete und der Nachkriegsgesetzgebung heute keine neuen
Rechtsbeziehungen mehr entstehen können; nimmt die gemeinsame
Erklärung von Ministerpräsident Zeman und Kommissar Verheugen zur
Kenntnis; erwartet von der Tschechischen Republik, dass für den Fall,
die gegenwärtige tschechische Rechtsordnung enthalte - z.B. auf Grund
dieser Dekrete - immer noch diskriminierende Formulierungen, die dem
acquis communautaire (Rechtsbestand der EU, Anm.) widersprechen,
diese spätestens bis zum Zeitpunkt des EU-Beitritts der Tschechischen
Republik beseitigt sind; wird seine endgültige Stellungnahme hierzu
auch unter Berücksichtigung des angeforderten externen
Rechtsgutachtens abgeben."(APA)