Telekom
"Adonis" um mindestens zwei Monate verzögert
Großprojekt Behördenfunknetzwackelt nach einstweiliger Verfügung der Bundesvergabekommission
Das Großprojekt des digitalen Behördenfunknetzes
Adonis hat sich um mindestens zwei Monate verzögert. Gestern hat die
Bundesvergabekommission zu Schlichtungsanträgen von zwei unterlegenen
Bewerbern (Tetratel, ein Konsortium von Austro Control, Kapsch und
Motorola einerseits sowie Telekom Austria andererseits) eine
einstweilige Verfügung bis 13. Juli erlassen, um das Vergabeverfahren
weiter prüfen zu können. Innenministerium muss zusehen
Solange darf das Innenministerium als
Auftrag vergebende Behörde nichts weiter unternehmen. Wenn es
aufgrund festgesteller Verfahrensmängel zu einer Neuausschreibung
kommen sollte, wäre das für das Projekt eine "beinahe tödliche
Verzögerung", sagten Experten.
Empfehlung für Mastertalk
Das Bundesvergabeamt hat Ende April nach Abschluss eines
Bieterverfahrens eine Empfehlung für das Bieterkonsortium Mastertalk,
ein Joint-venture von Siemens und den Wiener Stadtwerken, abgegeben,
das sich mit knappem Punktevorsprung vor Tetratel als Bestbieter
herausgestellt hat. Daraufhin haben die beiden unterlegenen Bewerber
mit dem Hinweis auf Verfahrensmängel Schlichtungsanträge bei der
Bundesvergabekontrollkommission gestellt.
Experte kritisiert Vergabegesetz
Das Vergabegesetz sei eine Schwachstelle im öffentlichen
Auftragswesen, kritisierte ein Experte, der nicht genannt werden
wollte, gegenüber der APA. "Wenn eine unterlegene Partei sagt:
entweder wir partizipieren oder wir blockieren eine Auftragsvergabe,
kann das bei allen größeren Projekten dasselbe Spiel werden".
Juristischer Willkür sei damit Tür und Tor geöffnet. Falls eine
Neuausschreibung des Vergabeverfahrens notwendig würde, würde das für
das Adonis-Projekt eine Verzögerung um mindestens sechs Monate,
gerechnet ab Mitte Juli, bedeuten.
Wer soll zum Zug kommen?
Beim digitalen Tetrafunkprojekt Adonis, das auf einer
EU-Empfehlung beruht, wäre ein Interessensausgleich durch die
Einbeziehung aller drei Bieterkonsortien in den Auftrag des
Innenministeriums unmöglich. Nur Telekom Austria, die (aufgrund
deutlich kürzerer Amortisationsfristen) das schlechtest bewertete
Betreiberangebot abgegeben hat, müsste auf jeden Fall zum Zug kommen,
da niemand sonst im Land über die erforderlichen digitalen
Leitungskapazitäten verfügt, heißt es.
Jeder Tag zählt
Bei Tetratel ginge das rein technisch nicht, da zwischen dem
Siemens-System (Technologie Rohde & Schwartz) und dem Motorola-System
des unterlegenen Tetratel-Konsortiums umfangreiche
Schnittstellenanpassungen erforderlich wären, die das Gesamtsystem
verteuern und instabiler machen würden. Außerdem sei Motorola
Lieferant des derzeitigen analogen Behördenfunksystems und hätte
großes Interesse, noch möglichst lang in das alte System zu liefern,
was für eine Verzögerungstaktik spreche. "Jeder Tag Verzögerung
erhöht die Wahrscheinlichkeit von Nachbestellungen für das alte
System", meinen Beobachter.
Wichtig auch für Katastrophendienste
Für den Aufbau eines digitalen Funksystems spreche die
internationale Entwicklung sowie auch die Bedürfnisse des
Katastrophenschutzes. Außer den Regierungsstellen und der Exekutive
würden Katastrophendienste wie Feuerwehr, Rettung und Rotes Kreuz ein
integriertes Funksystem benötigen. Das Land Tirol habe nach der
Lawinenkatastrophe in Galtür für den Tetrafunk die Initiative
ergriffen. Auch die Sicherheitsvorkehrungen bei den von heftigen
Demonstrationen begleiteten Weltwirtschaftsgipfeln in Seattle oder in
Prag hätten die Grenzen analoger Funknetze aufgezeigt, da diese
leicht zu knacken und nicht abhörsicher seien. Innerhalb der EU sei
der Tetrafunk bereits in Frankreich, Belgien und Großbritannien
teilweise in Betrieb, Deutschland wolle das digitale Funknetz bis zur
Fußball-WM 2006 installieren. Interessen in diese Richtung gebe es
auch in Spanien und Finnland sowie in Drittländern in der Schweiz
oder in Ungarn.
Aufrüsten statt abwarten
Eine Verzögerung des Vergabeverfahrens würde aus Beobachtersicht
bedeuten, dass Katastrophendienste, die mit Nachrüstungen ihres
analogen Funksystems bisher zugewartet hätten, diese jetzt nachholen
würden, was die breite Anwendungsmöglichkeit des digitalen Tetrafunks
und damit ein integriertes digitales Netz überhaupt in Frage stellen
würde. "Ohne die Anwendung des europaweit einheitlichen
Tetrafunk-Standards kann man analog derzeit nicht einmal zwischen
Bayern und Salzburg problemlos funken, da die Frequenzen
unterschiedlich sind", sagte ein Experte.
Das strittige Bundesvergabegesetz, das die Zuständigkeit der
Vergabekommission für Telekommunikations-Dienstleistungen, also alle
Betreibermodelle, derzeit ausschließt, wird mit 31. August 2002 durch
eine Novelle ersetzt, die aber konzessionäre Dienstleistungen
weiterhin ausklammert und nur bauliche Dienstleistungen einbeziehen
wird, sagte ein Rechtsanwalt zur APA.(APA)