Bild nicht mehr verfügbar.

Foto: Reuters/Kopczynski
Auf den ersten Blick scheint VP-Klubchef Andreas Khol dem freiheitlichen Entwurf zum Vermummungsverbot tatsächlich die Spitze genommen zu haben. Die Teilnahme Vermummter an Kundgebungen wird allein nicht als Grund ausreichen, die Versammlung aufzulösen, wie es Westenthaler und Co gefordert haben.

Auch müssen die Vermummten nicht gleich mit der Festnahme rechnen, sie werden zunächst "mit gelinderen Mitteln" behandelt, also weggewiesen oder von ihren "mitgeführten Sachen" (Kapuze? Schlagstock?) befreit. Außerdem soll das Vermummungsverbot polizeilich nur dann durchgesetzt werden, wenn eine Störung der "öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit" zu erwarten ist.

Selbst die Strafen, so Khol, seien nun abgefedert worden: Bloße Vermummung kostet 720 Euro - die FPÖ fordert Haft bis zu einem Jahr unbedingt. Wird der Vermummte einschlägig aktiv, muss er mit Geld- oder Freiheitsstrafe bis zu einem halben Jahr, im Wiederholungsfall bis zu einem Jahr rechnen.

Das alles, so versucht uns Khol weiszumachen, sei ein Fortschritt im Vergleich zu der freiheitlichen Anleitung zum Dreinschlagen. Das mag wohl sein, ein Fortschritt im Sinn der aufgeklärten Bürgergesellschaft, die Khol noch vor einiger Zeit vorschwebte, ist es sicher nicht. Daran kann auch das beredte Erwähnen des liberal gefärbten Talons nichts ändern, den der begnadete Kartenspieler vorzeigt - die eigentlichen Trümpfe, die hoch stechen, hat Khol von Westenthaler übernommen, und die sind tief reaktionär.

Zum einen ist Khol vorzuhalten, dass er wider seinen eigenen Vorsatz argumentiert, das Vermummungsverbot durchzusetzen. Er weiß so gut wie Westenthaler, dass mit solchen begleitenden Maßnahmen die Praxis von Demonstrationen mit latentem Gewaltpotenzial nicht zu fassen ist: Zum einen wird für das Ermessen der Polizei, wann Gefahr im Verzug ist, noch weiterer Spielraum geschaffen. Zum anderen ist sie jetzt aufgerufen, Vermummte vom Rest der Gruppe zu trennen und "wegzuweisen" - ein Deeskalationsmodell, das dem Versuch gleichkommen kann, schwelendes Feuer mit Benzin zu löschen.

Und wie oder wann entscheidet die Polizei, dass sie Vermummte demonstrieren lässt, solange sie die Sicherheit nicht stören? Der erste Auftrag geht mit dem zweiten nicht zusammen, die Polizei wird, schon jetzt oft genug überfordert, in jedem Fall den schwarzen Peter bekommen. Das kann Khol doch nicht gewollt haben, oder?

Das schwarz-blaue Gezänk ist vor allem eine Scheindebatte, über die angesichts der behänden Verschleierung der dahinter steckenden Absichten ein argumentatives Vermummungsverbot verhängt werden müsste.

Im Streit um Abstufungen im Straf- und Durchsetzungsbereich, die Khol und Westenthaler wortreich erörtern, wurde die eigentliche Frage längst verdrängt, und die lautet immer noch: Wie halten wir es mit grundlegenden Bürgerrechten wie der Versammlungsfreiheit und der freien Meinungsäußerung?

In erster Linie geht diese Frage an die ÖVP, denn wie wenig die FPÖ davon hält, wird ohnehin täglich klarer. Im Gegensatz zu ihr ist ein beträchtlicher Teil des Landes und vermutlich auch der ÖVP nach wie vor der Ansicht, dass auch Demonstranten ihre Meinung sagen dürfen sollen, ohne ihre Identität preisgeben zu müssen. Abgesehen davon wäre, wenn schon darüber debattiert wird, ein Vermummungsverbot für die Polizei zu fordern: Wenn die Beamten bei Demonstrationen schon unkenntlich machende Kopfbedeckungen tragen, sollten sie wenigstens deutlich sichtbare Dienstnummern anstecken - damit im Zweifelsfall alle Beteiligten wissen, wer es mit wem zu tun hat.

Und was das Argument der Eindämmung gewalttätiger Exzesse angeht: Wer oder was hindert die Exekutive schon jetzt daran, gegen Randalierer mit aller Härte vorzugehen? Sie tut es ohnehin, mit Recht und ohne Berufung auf ein Vermummungsverbot. (DER STANDARD, Print- Ausgabe, 23.5.2002)