Kolumbien
Kolumbien: Präsidentenwahl im Zeichen des Terrors
Hardliner Uribe aussichtsreichster Kandidat - Hoffnungsträger im Kampf gegen Guerilla
Bogota - Vor einem halben Jahr konnte sich Horacio Serpa
noch große Hoffnungen auf das Präsidentenamt in Kolumbien machen.
Doch der Kandidat der Liberalen Partei unterstützte die Bemühungen
von Amtsinhaber Andres Pastrana um einen Frieden mit der
linksgerichteten Guerilla. Als die Gespräche im Februar scheiterten,
sank auch die Beliebtheit Serpas auf einen Tiefpunkt.
Aussichtsreichster Bewerber für die Wahl am kommenden Sonntag ist
jetzt allen Umfragen zufolge der als Hardliner geltende Alvaro Uribe. Die Bürger sind die seit 38 Jahren andauernden
Auseinandersetzungen mit den Revolutionären Streitkräften Kolumbiens
(FARC) leid. Da eine friedliche Lösung aber als unwahrscheinlich
gilt, setzen sie lieber auf ein hartes Durchgreifen gegen die
Guerilleros. Genau dafür steht Uribe. Der frühere Bürgermeister von
Medellin und Gouverneur des Staates Antioquia, der mit der Liberalen
Partei gebrochen hat und als Unabhängiger antritt, verspricht, die
Gewalt im Lande zu stoppen. Damit hat er bei den Wählern genau den
richtigen Nerv getroffen.
Einer Umfrage des Instituts Napoleon Franco zufolge kann der
49-Jährige mit 49,3 Prozent der Stimmen rechnen, während auf Serpa
nur 23 Prozent entfallen. Damit wäre sogar eine absolute Mehrheit im
ersten Wahlgang nicht ausgeschlossen. Bei einer Gallup-Umfrage liegen
die Werte für die beiden Spitzenkandidaten bei 48 und 31 Prozent. An
einem Sieg Uribes bei der dann fälligen Stichwahl im kommenden Monat
zweifelt niemand.
Uribe hat im Wahlkampf detaillierte Pläne für eine Reform des
Bildungs- und des Steuersystems vorgelegt. Den Umfragen zufolge hat
die Wähler jedoch nichts so sehr beeindruckt wie seine scharfe
Rhetorik gegen die Guerilla. Diese Härte ist nicht zuletzt aus seiner
familiären Situation entsprungen: Vor 19 Jahren wurde Uribes Vater
auf seiner Hacienda bei Medellin von FARC-Rebellen überfallen und
erschossen. Der Sohn schwor damals, er werde sein Leben dem Kampf
gegen den Terrorismus in Kolumbien widmen.
Im vergangenen Monat wäre Uribe fast selbst dessen Opfer geworden.
Auf seinen Autocorso wurde in Medellin ein Sprengsatz geworfen, der
vier unbeteiligte Zuschauer das Leben kostete. Nach einem neuerlichen
Anschlag auf sein Büro am vergangenen Wochenende sagte Uribe eine
Wahlkundgebung ab. An seiner Entschlossenheit, der Guerilla die Stirn
zu bieten, hat dies indessen nichts geändert, wie er selbst betonte.
Menschenrechtsorganisationen warnen davor, dass der künftige
Präsident in seinem Anti-Terror-Kampf zu weit gehen und Grundrechte
mit Füßen treten könnte. Als Gouverneur hatte Uribe eine inzwischen
aufgelöste bewaffnete Bürgerwehr gefördert, die vielerorts von
rechtsgerichteten Todesschwadronen unterwandert worden sein soll.
Auch jetzt schlägt der Präsidentschaftskandidat wieder eine
Einbindung der Bürger vor, damit die Armee über die Bewegungen der
Rebellen rechtzeitig unterrichtet wird.
Der einstige Jura-Student an der renommierten Harvard-Universität
in den USA ist in vielerlei Hinsicht ein Senkrechtstarter. Das Amt
des Bürgermeisters von Medellin, wo sich das Drogenkartell von Pablo
Escobar jahrelang Schlachten mit der Polizei lieferte, trat er schon
im Alter von 30 Jahren an. Davor war er bereits Leiter der Zivilen
Luftfahrtbehörde Kolumbiens. In dieser Zeit soll er Kritikern zufolge
auch Fluglizenzen an Piloten erteilt haben, deren Verwicklung in
Drogengeschäfte bekannt gewesen sei. Dies hat Uribe stets bestritten.
Der kommende Sonntag könnte nun die Krönung in der Karriere des
49-Jährigen bedeuten. Für die anderen Kandidaten stellt sich indessen
nur noch die Frage, inwieweit sie wenigstens einen Achtungserfolg
erzielen können. Auf dem dritten Platz liegen den Umfragen zufolge
zwei Kandidaten gleichauf - der linksgerichtete Gewerkschaftsführer
Luis Eduardo Garzon und die frühere Außenministerin Noemi Sanin. Sie
ist die einzige Frau im Rennen, nachdem die Kandidatin Ingrid
Betancourt Ende Februar von FARC-Rebellen entführt wurde. Präsident
Pastrana konnte nach zwei Amtsperioden nicht mehr antreten, seine
Konservative Partei stellte keinen Kandidaten auf. (APA/AP)