Zwei tragische Vorfälle in der Steiermark innerhalb einer Woche haben die Diskussion um das Waffengesetz neu entfacht, ehe sie nach dem Amoklauf von Erfurt noch richtig beendet war. Am Dienstag erschoss sich eine zehnjährige Schülerin mit der Waffe ihres Vaters. Am Tag darauf nahm ein Familienvater mit seiner Pumpgun Frau und Tochter stundenlang als Geiseln. In beiden Fällen waren die Waffen legal gekauft und angemeldet. Dem Schladminger Geiselnehmer wurde die Waffe zwar vor fünf Jahren abgenommen, weil er seine Frau verletzt hatte. Er bekam sie aber wieder, die Waffenbehörde war einverstanden. Die Beamten konnten entscheiden, ohne einen Psychotest anordnen zu müssen.

Da gelten für auffällige Autofahrer schon andere Kriterien: Im Führerscheingesetz ist das Zuziehen von Psychologen grundsätzlich verpflichtend. Und bei der Führerscheinprüfung kann man nur dreimal zur Theorie und viermal zur Praxis antreten. Will man aber als Privater erstmals eine - unter Umständen todbringende - Waffe anmelden, kann man im Prinzip unbegrenzt oft zum erforderlichen Psychotest gehen.

In Österreich gibt es mehr als hundert Stellen, die diese "Waffenverlässlichkeitsprüfung" abnehmen dürfen. Aus Gründen des Datenschutzes sind sie nicht vernetzt. Wer also am Dienstag beim Psychotest durchfällt, kann schon am Mittwoch sein Glück erneut versuchen. Die Chance, dass seine Waffenliebe irgendwann legalisiert wird, steht dann nicht schlecht.

Als ob es nicht schon genug Waffen in privater Hand gäbe. Es ist auch die Verfügbarkeit, die sie gefährlich macht. Sehr wahrscheinlich wären nicht nur die beiden jüngsten Fälle in der Steiermark anders verlaufen, würden Pistolen und Pumpguns nicht so oft griffbereit herumliegen. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 24.05.2002)