Geschicklichkeit ist eine der Voraussetzungen für das Leben, obwohl doch alle als Baby sehr ungeschickt begonnen haben, was sie später vergessen. Aber der dänische Film Italienisch für Anfänger zeigt an einer Gruppe von ungeschickten Menschen - das englische Wort "clumsy" passt auf sie - in einer nordischen Kleinstadt, dass es eigentlich anders geht.Wenn auch nicht ohne eine zweite Voraussetzung für ein Leben, die Anerkennung durch andere. Wer längst und bis zum Exzess akzeptiert ist, hat wohl schon vergessen, was ihn wie alle nach Anerkennung suchen ließ: die Lust darauf, ernst genommen zu werden. Deshalb sind Filme über Anfänger/innen manchmal so schön. Sie lassen die Anfänger/innen an den Rändern ins Spiel kommen, ob an den Rändern Neuschottlands, der Walachei oder des elften Wiener Gemeindebezirks. Solche Anfänger anerkennen einander, weil sie alle die gleiche Ausgangsposition haben, diejenige, nichts zu sein, im Bewusstsein, auch nicht viel mehr zu werden. Und doch finden sie zuletzt alles, gerade ihr Ungeschick dreht das vermeintlich unabänderliche Schicksal um. In der dänischen Komödie Italienisch für Anfänger ist der neue Pfarrer kein extrem gläubiger oder charismatischer Pfarrer, und seine Pfarrkinder kennen ihn und sich selbst noch weniger als die Schafe im Neuen Testament ihren Hirten. Im neu eröffneten Frisiersalon rinnt den ersten Kunden das Haarspülwasser zwischen Hals und Hemd den Rücken hinunter, das Morphium für die sterbende Mutter der Friseuse ist falsch dosiert, und in der Zuckerbäckerei, wo ihre Schwester arbeitet, knallen Punschkrapfen und Rumkugeln senkrecht vom Ladentisch, während ihr Vater eben vom Schlag gestreift wird, ohne dass ihm ein Augenblick bleibt, um seine Attacken auf den Punkt zu bringen oder seine Brillen zurechtzurücken. Zuletzt stehen sich Todesfälle, Hochzeitszeremonien und Kirchenbänke gegenseitig im Weg, und der Regen fällt, als hätte ein Woody Allen alle Schleusen geöffnet. Die Anfänger/innen treffen einander bei einem Italienischkurs, der im hohen Norden relativ sinnlos ist, was noch betont wird dadurch, dass sich mit der Kellnerin Luzia zuletzt, aus Liebe zu einem anderen Teilnehmer, auch noch eine Italienerin anschließt. Für sie hat Italienisch für Anfänger ungefähr so viel Sinn wie Englisch für Chaplin. Eine Kursteilnehmerin gewinnt im Lotto und lädt die anderen zu einer Reise ein. Gegen alle Erwartungen landen die Italienisch-Anfänger doch noch im verhangenen Venedig. Auch der Lächerlichste aus der Gruppe kann dort ans Ziel kommen. Er bleibt ein unverbesserlicher Anfänger, sein Mangel an Umriss, Geschick und Selbstvertrauen grenzt an das der Riesen in Jonathan Swifts Liliput. Selbst dieser ungeschickteste Gruppenreisende landet da, wo er schon eine Weile lang hinwollte: bei Luzia, die nichts anderes will und auch nichts anderes erreicht als diesen einen fremden Versager. Sie werden glücklich sein. Weil sie immer wieder falsch anfangen. (DER STANDARD, Print-Ausgabe vom 24.5.2002)