Helsinki - Das finnische Parlament stimmte Freitag mehrheitlich der Errichtung eines neuen Atomkraftwerkes zu. 107 Abgeordnete votierten für einen fünften Reaktor, 92 sprachen sich dagegen aus. Bei der mit Spannung erwarteten Abstimmung waren alle Abgeordneten anwesend, es gab keine Enthaltungen.Die Parteien hatten das Votum für ihre Abgeordneten freigegeben. Die an der Regierung beteiligten Grünen stellten sich geschlossen gegen die Atompläne des Kabinetts des Sozialdemokraten Paavo Lipponen. Für sie stellt sich nun auch die Frage des weiteren Verbleibs in der Regierung. Ein Großteil der Wirtschaft und die Sozialpartner dagegen traten vehement für eine verstärkte Nutzung der Atomenergie ein. Der Ausgang der Abstimmung könnte Signalwirkung für ganz Europa haben. Zwar sind mit Frankreich und England nur zwei weitere EU-Staaten derzeit nicht gewillt, aus der friedlichen Nutzung von Atomenergie langfristig auszusteigen, jedoch befürchten Atomgegner, dass ein Ausbau der finnischen Atomkraft den Verfechtern von nuklearen Energielösungen Auftrieb geben könnte. Ausstieg vom Ausstieg In Schweden existiert zwar eine grundsätzliche Entscheidung für einen Ausstieg, die aber im Nachhinein verwässert wurde: Die elf Reaktoren arbeiten wie früher. Deutschlands 19 Reaktoren sollen in 20 Jahren geschlossen werden. Gewinnen die Christdemokraten die Parlamentswahlen im Herbst, würden sie diese Entscheidung aber rückgängig machen. Finnland selbst ist - mit oder ohne eigene AKW - nachhaltig abhängig von Atomenergie. Das Land importiert 15 Prozent seines Stroms, insbesondere von russischen Kraftwerken, die meist in einem desolaten Zustand sind. Alternativen dazu gibt es kaum: Mehr Strom aus Skandinavien zu bekommen, ist unmöglich, denn dort ist kein einziges Kraftwerk im Bau. Und die großen Entfernungen begrenzen die Möglichkeiten, Strom aus Kontinentaleuropa zu importieren. Erdgas ist für die Stromproduktion zu teuer und würde die Abhängigkeit von Russland noch steigern. Man hat auch versucht, den Anteil des einheimischen Holzes zu steigern. Bei der Abholzung bleiben viele Äste und Baumkronen übrig, die man zum Heizen verwenden und in Strom umwandeln kann. In den letzten vier Jahren wurden in Finnland Kraftwerke auf der Basis von Holz und Torf gebaut, die fast 500 Megawatt Strom produzieren. Schon jetzt zeigt sich aber ein Mangel an Holzresten, der mit Torf überbrückt werden muss. Auch Windenergie ist problematisch. Um sie als bedeutende Energiequelle zu fördern, müssten große Windmühlengruppen im Meer gebaut werden, was wiederum wegen des winterlichen Packeises nicht problemlos möglich ist. (DER STANDARD, Printausgabe 25./26.05.2002)