Europa
FDP-Führung steht zu Möllemann
Westerwelle macht keine Aussagen zu Karsli - Hält Antisemitismus- Vorwurf für "unerträglich" - Schröder spricht FDP Regierungsfähigkeit ab
Berlin - In dem Konflikt um angebliche
Gleichsetzung von Israel-Kritik und Antisemitismus steht die Führung
der deutschen Freien Demokraten (FDP) zum stellvertretenden
Bundesparteichef Jürgen Möllemann. Der gegen den
nordrhein-westfälischen Landesvorsitzenden erhobene
Antisemitismus-Vorwurf sei "nicht anständig und sachlich nicht
zutreffend", sagte FDP-Chef Guido Westerwelle nach einer
Präsidiumssitzung am Freitag in Berlin. Die Anschuldigung sei
"unerträglich" und müsse aus dem Raum. Angesichts des "unerträglichen
Vorwurfs" könne er Möllemanns "Erregung" verstehen.FDP-Chef will sich um Entschärfung im Konflikt mit Zentralrat der Juden bemühen
Westerwelle will sich bemühen, den Konflikt mit dem Zentralrat der
Juden in Deutschland zu entschärfen und "die Diskussion zu
versachlichen". Er habe den Zentralrat in einem Brief um ein Treffen
gebeten. "Wenn Sie so wollen, ist das auch eine Hand, die ich
ausstrecke. Und ich hoffe, dass sie genommen wird." Er stelle keine
Vorbedingungen für das Treffen und gehe davon aus, dass der
Zentralrat der Bitte nachkomme. Westerwelle will kommenden Montag
nach Israel reisen. Er habe "überhaupt keine Hinweise" darauf, dass
ihn Ministerpräsident Ariel Sharon nicht empfangen werde. Die
israelische Polizei hatte am Mittwoch den Leiter der FDP-nahen
deutschen Friedrich-Naumann-Stiftung, Burckhard Blanke, unter dem
Vorwurf des "Antisemitismus" verhört und sein Haus durchsucht. Der
deutsche Außenminister Joschka Fischer beschwerte sich deswegen bei
seinem israelischen Kollegen Shimon Peres.
Entscheidung über Karsli für Westerwelle Sache der Landtagsfraktion
Westerwelle wollte kein Angaben dazu machen, ob er es für richtig
hält, dass der umstrittene Ex-Grünen-Politiker syrischer Abstammung
Jamal Karsli als Parteiloser Mitglied der FDP-Landtagsfraktion in
Nordrhein-Westfalen bleiben kann. Diese Entscheidung sei Sache der
dortigen Fraktion, deren Chef Möllemann ist. Er finde es richtig,
dass Karsli nicht in die FDP eintreten könne. Dieser hatte der
israelischen Armee "Nazi-Methoden" bei der Bekämpfung der
Palästinenser vorgeworfen und von einer "zionistischen Lobby" in
Deutschland gesprochen.
Schröder: "Hochgradig gefährliches Verhalten"
Bundeskanzler Gerhard Schröder hat der FDP im Streit um Karsli ein
"hochgradig gefährliches Verhalten" vorgeworfen.
Was da geschehe, sei "politisch hoch brisant und hochgradig
gefährlich", sagte der SPD-Vorsitzende nach einer ARD-Meldung dem
TV-"Bericht aus Berlin", der am Freitagabend ausgestrahlt werden
soll. "Da müssen Dämme gebrochen sein." Vermutlich sei auch "ein
Stück Übermut am Platze". Intellektuell sei das Vorgehen der FDP in
jedem Fall "dürftig". "Das Schlimme ist, sie haben mit dem Feuer
gespielt und haben nun keine Strategie, das Feuer auszutreten", sagte
der Kanzler. Zwar bleibe die FDP eine demokratische Partei, und nicht
alle Freien Demokraten seien Antisemiten. Zugleich sprach Schröder
den Liberalen die Regierungsfähigkeit ab: "Sie sind vielleicht willig
zu regieren, aber nicht fähig."
Klarstellung gegenüber Friedman
FDP-Vorsitzender Guido Westerwelle
betonte, dass bei aller Kritik am israelischen Premierminister Ariel
Sharon und dem Vizepräsidenten des Zentralrats der Juden in
Deutschland, Michel Friedman (CDU), diese nicht für Antisemitismus
verantwortlich gemacht werden könnten. Diese Haltung habe das ganze
FDP-Präsidium - auch Möllemann - geteilt. Möllemann hatte Friedman
ursprünglich vorgeworfen, mit seinem Verhalten dem Antisemitismus in
Deutschland Zulauf zu verschaffen. Friedman hatte der FDP daraufhin
nahe gelegt, Möllemann auszuschließen.
Möllemann hatte noch am Mittwoch erklärt: "Ich wiederhole meinen
leider gefestigten Eindruck, dass die Politik von Herrn Sharon und
der unerträgliche, aggressiv-arrogante Umgang von Herrn Friedman mit
jedem Sharon-Kritiker leider geeignet sind, antiisraelische und
antisemitische Ressentiments zu wecken". Der Präsident des
Zentralrats, Paul Spiegel, verlangte eine offizielle Distanzierung
Westerwelles von Möllemann.(APA/AP/Reuters)