Ob gläubig oder nicht, ob katholisch oder anderer Konfession - der alte Herr aus dem Vatikan verdient Respekt. Die Art und Weise, wie Johannes Paul II. seinem körperlichen Verfall die Stirn bietet, das Stehvermögen, mit dem er sein Amt ausfüllt, zeugen von einer Kraft, die nicht von dieser Welt scheint.

Wenn nun dennoch immer mehr Stimmen laut werden, die einen Rücktritt des Pontifex maximus zumindest erwägen, ist das ein deutliches Zeichen für Befürchtungen, dass der Sieg der Willenskraft schnell zu einer Niederlage in der Welt werden kann. Härter gesagt: Bei den Optionen Demission oder Demenz treffen selbst hochrangige Kleriker wie Kardinal Ratzinger - katholisch verklausuliert, aber eben doch - ihre Wahl.

Keine Frage: Johannes Paul II., der 264. Papst der Kirche, hat in den 24 Jahren seines Pontifikates viel geleistet. Er hat die Massen angesprochen, die Kirche, unermüdlich reisend, enger zusammengebracht. Jetzt allerdings ist es an der Zeit, dass er den Weg frei macht für einen Nachfolger. Der Reformstau in der katholischen Kirche ist enorm, die Probleme (zuletzt etwa die auf die verquere katholische Sexualmoral zurückzuführenden Missbrauchsfälle) sind Legion.

1983 hat Karol Wojtyla selbst die Frage des Papst-Rücktritts im Kirchenrecht (Canon 332, § 2) präzisiert. Eine Demission sei gültig, wenn sie "frei" erfolge und "hinreichend kundgemacht" werde. Wenn er jetzt sagt, auch Jesus sei "nicht vom Kreuz heruntergestiegen", verdient das zwar Achtung. Allein: Jesus ist Gott, der Papst sein (menschlicher) Stellvertreter auf Erden. Und wer Unmenschliches will, versucht Gott, will Gott sein. Eine Demission dagegen wäre ein Zeichen letzter und wahrer menschlicher Größe. (DER STANDARD, Print- Ausgabe, 25./26.5.2002)