Berlin - Die nächsten Tage werden für den
FDP-Kanzlerkandidaten alles andere als einfach: Inmitten der scharfen
Auseinandersetzung um Antisemitismus bei den Liberalen reist
Parteichef Guido Westerwelle am Sonntag nach Israel.
Er wolle den israelischen
Ministerpräsidenten Ariel Sharon und auch Palästinenserchef Yasser
Arafat treffen.
Bundeskanzler Gerhard
Schröder sprach den Liberalen die Regierungstauglichkeit ab.
SPD-General Franz Müntefering wurde mit Blick auf eine
sozial-liberale Option nach der Bundestagswahl noch deutlicher: Wenn
die FDP ihre Haltung gegenüber Israel nicht ändere, werde es "ganz
schwierig sein für die SPD, sich mit denen an einen Tisch zu setzen".
Es sei immer klar gewesen, dass mit Israel und den Juden kein
parteitaktischer Wahlkampf geführt werde. "Dieser Konsens ist
durchbrochen worden."
Westerwelle will sich die Kritik an der
israelischen Regierung und das sich daraus womöglich ergebende
Wählerpotenzial nicht nehmen lassen. Gleichzeitig
soll die Schärfe aus dem Streit insbesondere mit dem Zentralrat der
Juden in Deutschland genommen werden. "Kein Öl ins Feuer", beschloss
das FDP-Präsidium am Freitag. Bei einem Spitzentreffen der FDP mit
dem Zentralrat sollen "Unstimmigkeiten und Missverständnisse" geklärt
werden.
"Wahlkampf mit offenem Visier"
Allerdings sind die Liberalen weit davon entfernt, zu jenem
Konfliktthema zu schweigen, das ihnen nun schon seit Wochen breite
Aufmerksamkeit beschert. Mit ihrer Kritik an der israelischen
Regierung führe die FDP doch nur eine Diskussion, "die längst in der
Bevölkerung stattgefunden hat", glaubt Westerwelle. Mit
Antisemitismus und rechtem Rand habe das überhaupt nichts zu tun. Wer
das behaupte, treibe ein "durchsichtiges, schäbiges Spiel". Und sein
Parteivize Jürgen Möllemann macht keinen Hehl daraus, dass er sich
diesem Wahlkampfthema weiter widmen will. Dies sei zwar keine
kalkulierte Strategie, aber doch "Wahlkampf mit offenem Visier".
Der NRW-Landeschef der Liberalen, der das Projekt 18 Prozent sowie
die eigenständige Kanzlerkandidatur der FDP intern durchsetzte und
seiner ums Überleben zitternden Partei wieder Wähler verschaffte,
musste zwar interne Kritik einstecken. Sharon und der Vizepräsident
des Zentralrats der Juden, Michel Friedman, könnten nicht für
Antisemitismus verantwortlich gemacht werden, stellte das
FDP-Präsidium in Anspielung auf Möllemanns Vorwürfe fest. Darin
erschöpfte sich aber auch schon die Entschlossenheit der FDP-Spitze,
ihren Vizevorsitzenden zu bremsen.
In Israel wird sich Westerwelle nun vom Wahlkampf-Matador zum
Diplomaten wandeln müssen. Spannend dürfte vor allem werden, wie der
FDP-Chef seinen Gesprächspartner zum Beispiel erklären will, dass
sein Stellvertreter Möllemann den bewaffneten Kampf von
Palästinensern auf israelischem Gebiet gerechtfertigt hatte. Er wolle
in Israel "viel zuhören", kündigte Westerwelle vorsichtig an. Und
natürlich auch seinen Standpunkt erläutern. Doch dann fügte
Westerwelle schon ganz diplomatisch einen Hinweis auf die Kontinuität
in der FDP-Außenpolitik hinzu, "wie wir sie seit mehr als fünf
Jahrzehnten vertreten".
(APA/red)