Die deutschen Freidemokraten, die sich vier Monate vor der Bundestagswahl in einem Höhenflug der Umfragewerte befanden, haben sich selbst in eine Krise manövriert. Die Diskussion um die Aufnahme des ehemaligen grünen Lokalpolitikers Jamal Karsli, der mit antiisraelischen Aussagen für Aufsehen gesorgt hatte, hat sich zu einer Debatte ausgewachsen, die den Ruf der FDP als liberale Partei gefährdet und ihre Regierungsfähigkeit infrage stellt.FDP-Chef Guido Westerwelle hat Recht, wenn er meint, Kritik an der Politik der israelischen Regierung müsse möglich sein, ohne sich dem Vorwurf des Antisemitismus auszusetzen. Aber darum geht es längst nicht mehr, auch wenn dies Westerwelle gebetsmühlenartig wiederholt: Vizeparteichef Jürgen Möllemann hat mit seinem Vorwurf, Israels Premierminister Ariel Sharon und der Vizepräsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, Michel Friedman, schürten mit ihrem Auftreten antisemitische Ressentiments, die Grenze des Erträglichen überschritten. Statt seinem Stellvertreter Einhalt zu gebieten, goss Westerwelle zusätzlich Öl ins Feuer, indem er erklärte, die FDP wolle auch Wähler der Republikaner ansprechen. Später schob Westerwelle in bester Möllemannscher Manier nach, die FDP könne auf rechtsextreme Wähler verzichten. Mit dieser Art Tabubruch und halbherziger Rücknahme desavouiert sich eine Partei, die den Anspruch erhebt, nach der Wahl den Außenminister zu stellen. Unionskanzlerkandidat Edmund Stoiber wie auch Bundeskanzler Gerhard Stoiber haben dem potenziellen Koalitionspartner bereits die gelbe Karte gezeigt. Die sich im Wahlkampf als "Spaßpartei" gerierende FDP muss sich überlegen, ob der Zweck - das Wahlziel 18 Prozent - jedes Mittel der Provokation heiligt. Die Freidemokraten müssen sich entscheiden, ob sie sich auf ihr liberales Erbe besinnen oder den rechtspopulistischen Weg à la Jörg Haider einschlagen. (DER STANDARD, Print, 27.5.2002)